Renate Hoffmann
Zuhause...“, sagte Herr Hofer ruhig.
„Dann treffen wir uns um sieben unten...“
„Um sieben...“, sagte Frau Hoffmann und wischte ihre verschwitzten Handflächen an ihrem Rock ab.
„Gut, dann bis später...“, sagte Herr Hofer lächelnd und öffnete Frau Hoffmann die Tür. Dieses Lächeln war nicht geschäftlich gewesen, es war schüchtern und sanft.
Die nächsten fünf Stunden kämpfte Frau Hoffmann gegen ihre nervöse Übelkeit an. Sie freute sich auf Herrn Hofer. Vielleicht freute sie sich sogar so sehr, dass ihr schlechtes Gewissen sie dafür strafte, denn da gab es noch ihre Gefühle für Henning. Und diese Gefühle mochten Herrn Hofer nicht. Mehr noch, sie konnten ihn nicht leiden.
Kapitel 84
Frau Hoffmann stand vor dem Aufzug. Ihr Magen war verkrampft und ihr rechts Augenlid zuckte unkontrolliert. Sie wusste nicht, warum sie zugesagt hatte. Sie wusste auch nicht, was sie mit all den gegensätzlichen Gefühlen anstellen sollte, die ihr unentwegt die unterschiedlichsten Anweisungen gaben. Einerseits war da Vorfreude auf den bevorstehenden Abend, was sich in der Tatsache gezeigt hatte, dass Frau Hoffmann sich mehrmals im Spiegel betrachtet hatte, bevor sie letzten Endes ihr Büro verließ. Zum anderen war da Angst. Es fühlte sich an, als hätte ein Teil in ihr Hennings und ein anderer Roberts Partei ergriffen.
Während der Aufzug nach unten fuhr versuchte Frau Hoffmann die negativen Gefühle abzuschütteln, was sie jedoch nicht schaffte. Sie hatte Henning schon lange nicht mehr so intensiv gespürt. Es war, als wollte er sie daran erinnern, dass sie nie einen Mann finden würde, der so war wie er, womit er zweifelsohne Recht hatte. Henning war einmalig gewesen, doch er war tot. Frau Hoffmann schien sich selbst klar machen zu wollen, dass sie ein recht darauf hatte, glücklich zu werden, sie versuchte sich zu sagen, dass das Leben seinen Lauf nähme, und dass sie gerade dabei war, genau das zuzulassen.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich. Herr Hofer stand schon in der großen Halle. Als er Frau Hoffmann entdeckte, kam er langsam auf sie zu. In seinem Gesicht schien sich eben jene Nervosität widerzuspiegeln, die auch Frau Hoffmann in diesem Moment empfand. Herrn Hofers Besuch war etwas anderes gewesen. Sie war daran nicht wirklich beteiligt gewesen, sie hatte ihm lediglich die Tür geöffnet und die nächsten Stunden mit ihm verbracht. Doch in diesem Fall hatte sie Herrn Hofers Einladung angenommen, und dieser Fakt machte sie zu einer Art Mittäterin, was auch der Henning zugeneigte Teil so zu sehen schien. Der andere Teil schien ihr aufmunternd in die Seite zu stoßen, um ihr zu zeigen, dass sie genau das Richtige tat. Es war an der Zeit endlich weiterzumachen. Was es auch war, das sie für Herrn Hofer empfand, es war stark genug, um es darauf ankommen zu lassen.
Frau Hoffmann und Herr Hofer spazierten stillschweigend über den Vorplatz zu Herrn Hofers Auto. Sie versuchte sich zu sagen, dass es nicht darum gehe, Henning zu ersetzen, was es ja auch nicht tat, es ging lediglich darum ihn endlich gehen zu lassen. Es ging darum, lebendig zu sein. Frau Hoffmann dachte an Henning und schloss die Augen, während Herr Hofer den Schlüssel umdrehte. Mit einem sanften Brummen setzte sich das Auto in Bewegung. Henning würde es ihr nicht übel nehmen. Der Henning, den Frau Hoffmann gekannt hatte, hätte sich für sie gefreut. Er hätte gewollt, dass sie lebendig wäre und nicht nur am Leben.
Zwanzig Minuten später parkte Herr Hofer vor einem viktorianisch anmutenden Reihenhaus. Ungläubig schaute Frau Hoffmann aus dem Fenster. „Hier wohnst du?“, fragte sie misstrauisch.
„Ja, in Nummer sieben.“ Er zeigte aus dem Fenster auf ein wunderschönes großes Haus mit einer roten Eingangstür und einem kleinen Balkon. „Ich wohne da aber nicht allein“, sagte Herr Hofer, der Frau Hoffmanns fassungslosen Gesichtsausdruck erst jetzt bemerkte.
„Aha, und mit wem wohnst du da?“, fragte Frau Hoffmann gereizt, und nicht nur Herr Hofer schien verwundert über diesen Unterton, auch Frau Hoffmann konnte nicht verstehen, weswegen sie derart unfreundlich geklungen hatte.
„Ich wohne in der Wohnung im ersten Stock... allein...“
Noch immer verlegen betrat Frau Hoffmann den Flur. Irgendjemand hatte dieses Haus, das ursprünglich eindeutig ein Einfamilienhaus gewesen war, in ein Haus mit drei einzelnen Wohnungen umbauen lassen, wobei das Treppenhaus noch immer an das eines Einfamilienhaus
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