Renate Hoffmann
stellte den Wecker, löschte das Licht und drehte sich zur Seite. Auf dem separaten Kissen lag Hennings Gesicht. Es erschien ihr schön neben ihm einzuschlafen, auch wenn ihr selbstverständlich klar war, dass eine Fotografie einen Menschen nicht zu ersetzten vermochte. Und doch war da das Gefühl nicht allein zu sein, denn auch, wenn Henning tot war, in ihren Gedanken lebte er weiter.
Kapitel 82
Frau Hoffmann betrachtete sich im Spiegel. Das ewige Grau schien sie zunehmend zu verärgern, so als wäre es die Schuld der Kostüme, dass sie so trist und freudlos aussahen, was selbstverständlich nicht den Tatsachen entsprach. Frau Hoffmanns frisch geföhntes Haar stand in kleinen Strähnen elektrisch ab. Sie strich sich mehrfach über den Kopf, was es noch schlimmer zu machen schien, dann griff sie verzweifelt zu einem Haargummi und band sich die Haare in einen strengen Knoten, der zu ihrer größten Überraschung wirklich gut aussah. Und weil sie ohnehin noch Zeit hatte, legte sie Rouge auf und schminkte ihre Augen.
Zufrieden schaute sie sich an. Und auch, wenn sie das Grau noch immer störte, so minimierte ihr schönes Gesicht die Freudlosigkeit ihrer Kleidung auf ein zumindest erträgliches Maß. Frau Hoffmann ging ins Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster, dann beschloss sie, dass sie an einem so schönen Tag keinen Mantel benötigen würde und verließ lächelnd ihre Wohnung. In Gedanken versunken, die sich Größtenteils mit Herrn Hofer beschäftigten, ging die den Gehweg entlang.
Als sie zweiundzwanzig Minuten später in den Aufzug stieg, traf sie auf Herrn Schröder, der sie irritiert anstarrte. Sie begrüßte ihn freundlich, dann wandte sie sich von ihm ab. Sie spürte seine Blicke auf sich und war froh, als sich die Türen des Aufzugs öffneten und sie in die Freiheit entließen.
Frau Hoffmann betrat ihr Büro. Auf ihrem Schreibtisch lagen zwei Nachrichten. Die erste war von Frau Kleinschmidt, in der sie Frau Hoffmann eine gute Besserung wünschte, die zweite war von Herrn Hofer. Schön, dass du wieder da bist, Robert. Lächelnd setzte sie sich an ihren Schreibtisch, schaltete den PC ein und begann zu arbeiten.
Mittags klopfte es an Frau Hoffmanns Tür. Es war Frau Kleinschmidt. Frau Hoffmann freute sich sie zu sehen. „Ist das schön, dass du wieder da bist...“, sagte Frau Kleinschmidt und strahlte Frau Hoffmann an. Gemeinsam gingen sie in Richtung Aufzug. Frau Hoffmann bedankte sich für die Nachricht, die Frau Kleinschmidt ihr hinterlassen hatte und erzählte ihr, dass es ihr viel besser gehe, worauf Frau Kleinschmidt erwiderte, dass man ihr das deutlich ansähe.
Frau Hoffmanns Stammtisch beim Italiener an der Ecke war an diesem Tag besetzt, was sie zugegebenermaßen ein wenig verärgerte, auch wenn sie sich das nicht anmerken ließ. Die beiden Frauen setzten sich an den Nachbartisch und bestellten ein Spezi für Frau Kleinschmidt und eine Flasche stilles Wasser für Frau Hoffmann.
„Du strahlst so...“, sagte Frau Kleinschmidt lächelnd. Frau Hoffmann versuchte es herunterzuspielen, doch es gelang ihr nicht. Doch auch Frau Kleinschmidt schien unbeschwerter und gelöster, als bei ihren letzten Gesprächen.
„Du siehst auch zufrieden aus...“, sagte Frau Hoffmann, um das Gespräch auf Frau Kleinschmidt zu lenken, die verlegen auf die Tischplatte schaute. „Was ist denn los?“, fragte Frau Hoffmann, die Frau Kleinschmidts Verlegenheit etwas überraschte.
„Du wirst nicht glauben, was mir passiert ist...“
„Und wer ist es?“, fragte Frau Hoffmann neugierig. „Kennst du ihn aus dem Büro?“ Frau Kleinschmidt nickte. „Ja, wie heißt er denn?“ Frau Hoffmann versuchte nicht zu aufdringlich zu klingen, was ihr jedoch nicht gelang.
Frau Kleinschmidt schien sich daran jedoch nicht im Geringsten zu stören, denn sie lächelte und sagte, „Er heißt Schröder, Matthias Schröder.“ Frau Hoffmann verschluckte sich an ihrem Wasser. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Frau Kleinschmidt, woraufhin Frau Hoffmann sich räusperte und lächelte. „Kennst du ihn etwa?“
„Flüchtig...“, sagte Frau Hoffmann, „Wenn es überhaupt derselbe ist... der Name ist ja nicht gerade selten...“ Frau Kleinschmidt nickte.
„Du warst also mit ihm aus...“, sagte Frau Hoffmann trocken. „Wie kam es dazu? Ich meine, hat er dich eingeladen?“
Frau Kleinschmidt spülte die letzte Gabel Penne mit einem Schluck Spezi hinunter, dann sagte sie, „Wir haben drei Tage zusammen an einem Projekt
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