Renate Hoffmann
Klingeln des Telefons ließ Renate in den Flur rennen. Wie erstarrt hielt sie den Hörer in der Hand. Ihr Mund hing offen, ihre Augen fixierten einen weit entfernten Punkt in der Küche. „Wer ist denn da dran?“, flüsterte Henning. Renate schaute ihn an. Und in diesem Moment erschien ihr die Nachricht nicht mehr wirklich wichtig. Im Grunde hatte sie es immer schon geahnt, und wenn diese Nachricht für zwei Menschen das größte Glück bedeutete, so hatten sie ihren Segen.
„Ja, und was wollte er?“, fragte Henning gereizt.
„Er hat nur gesagt, dass er Barbara vergangenen Samstag geheiratet hat...“
„Herbert hat Barbara geheiratet?“ Renate nickte. „Und sie haben dich nicht einmal eingeladen?“
„Nein, das haben sie nicht...“, antwortete Renate ruhig, „...aber ich wäre sowieso nicht hingegangen...“
Henning schloss sie in seine Arme. „Verletzt es dich?“
„Ich denke, dass die beiden glücklich werden, und das ist ein schöner Gedanke...“
„Es ist dir wirklich egal?“, fragte Henning misstrauisch. „Es ist ein bisschen seltsam...“ Renate streichelte über Hennings Unterarm. „Aber ich beneide sie weder um ihr Leben, noch um Herbert...“
„Lass die Augen zu...“, sagte Henning und führte sie auf die Terrasse. „Sie sind doch zu?“
„Ja sie sind zu...“, sagte Renate lachend.
Henning blieb stehen. Es war inzwischen Abend geworden, doch die Luft war noch immer von sommerlicher Wärme erfüllt. Die Kerzen flackerten nervös im Wind. Die Flammen sahen aus, als tanzten sie vor einem dunkelblauen Vorhang. Henning betrachtete sein Werk. „Noch nicht aufmachen...“, sagte er und legte eine Kassette in einen kleinen Kassettenrekorder. „Hörst du? Nicht blinzeln...“
„Ich blinzle nicht...“
Renate wurde zunehmend nervös. Sie dachte zu wissen, was Henning in diesem Moment vorbereitete. In ihrer Vorstellung hatte es mit seinen Andeutungen desselben Morgens zu tun. Andererseits passte das nicht zu Henning. Renate war sich sicher, dass Henning nicht der Typ für Ringe und Trauschein war. Das hatte nichts mit mangelnden Gefühlen zu tun, sondern mit seiner unkonventionellen Art. Für ihn war die Ehe das Ende der Emanzipation.
Sanfte Musik hallte durch die laue Luft. „Du kannst die Augen aufmachen...“, sagte Henning.
Renate öffnete die Augen und starrte entgeistert auf einen kleinen Holztisch, der von einzelnen Rosenblättern übersäht war. In einer Schüssel lag eine Flasche Champagner in einem klirrenden Meer aus Eiswürfeln. Die Terrasse schimmerte im sanften Kerzenschein. Der Duft von Fleisch und Pasta erfüllte die Luft. „Das sieht unbeschreiblich aus...“, sagte Renate überwältigt.
Henning stand mit geschwellter Brust neben ihr und zog einen Stuhl zurück. „Setz dich, Nati...“ Renate nahm Platz. Und in dem Moment, als sie sich zurücklehnte, war sie sich sicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Henning würde sie fragen. Bestimmt würde er das.
Kapitel 87
Schweigend genossen sie das wohl romantischste Essen, das Renate sich vorstellen konnte, während sie insgeheim auf den Moment wartete, in dem Henning ihr mit Tränen in den Augen ein winziges Samtschächtelchen reichen und um ihre Hand anhalten würde.
Henning räumte das benutzte Geschirr ab und öffnete den Champagner. Jeden Moment würde er sie fragen. Renates Hände zitterten vor Aufregung. Der Gedanke, dass dieses Mal nicht Herbert sondern er vor ihr knien würde, flutete sie mit unbeschreiblichen Glücksgefühlen.
Henning reichte ihr ein Glas. Die eiskalte goldgelbe Flüssigkeit perlte, so als wüsste sie, was jeden Augenblick passieren würde. Henning griff in seine Hosentasche. Renates Herz schlug so fest, dass sie es in jeder einzelnen Zelle zu spüren glaubte. „Meine liebe Nati...“, sagte Henning und nahm ihre linke Hand. „Mit dir habe ich die schönste Zeit meines Lebens verbracht...“ Renates Augen füllten sich mit Tränen. „Ich vertraue dir blind...“ Er küsste ihren Handrücken. „Bevor ich dich gefunden habe, war da nur eine leere Hülle...“ Die Flammen der Kerzen flackerten nervös. „Ich habe etwas für dich, von dem ich hoffe, dass es dich ebenso glücklich machen wird, wie mich...“ Er griff neben sich, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden. „Renate Hoffmann...“, sagte er in einem formellen Tonfall, „... ich liebe dich unbeschreiblich...“ Jetzt würde er sie fragen. In wenigen Sekunden würde er sie fragen und sie würde in seine starken Arme
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