Rendezvous im Hyde Park
danach."
Sebastian wurde munter. „Wirklich?"
„Nun ja, vielleicht nicht direkt verrückt danach. Er findet sie immer noch schrecklich, aber es macht ihm einen Riesenspaß, sie zu übersetzen. Sie sind ja auch viel amüsanter als die Dokumente vom Kriegsministerium."
Nicht gerade höchstes Lob für sein Werk, doch Sebastian war nicht beleidigt. „Vielleicht sollte Harry sie hinterher noch ins Französische übersetzen."
Olivia zog nachdenklich die Stirn kraus. „Vielleicht tut er das ja. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er jemals denselben Text in zwei Sprachen übersetzt hätte. Ich könnte mir vorstellen, dass ihm diese Herausforderung gefiele."
„Er hat ein wahnsinnig mathematisches Gehirn", murmelte Sebastian.
„Ich weiß." Olivia schüttelte den Kopf. „Ein Wunder, dass wir überhaupt etwas finden, über das wir uns unterhalten können. Ich - oh! Sieh nicht hin, aber da hinten deutet jemand auf dich."
„Eine Frau, möchte ich hoffen?"
Olivia rollte mit den Augen. „Es sind immer nur Frauen, Sebastian. Es ist...", sie kniff die Augen zusammen, „... Lady Louisa McCann, glaube ich."
„Wer?"
„Die Tochter des Duke of Fenniwick. Sie ist ganz reizend."
Sebastian dachte einen Augenblick nach. „Die Dünne, die nicht viel sagt?"
„Du weißt dich wirklich auszudrücken."
Sebastian lächelte verhalten. „Ja, nicht wahr?"
„Mach ihr keine Angst, Sebastian", mahnte Olivia.
Er wandte sich mit nicht ganz gespielter Entrüstung zu ihr um. „Ihr Angst machen? Ich?"
„Dein Charme kann einen schon überwältigen."
„Wenn du es so ausdrückst, muss ich mich wohl geschmeichelt fühlen."
Olivia schenkte ihm ein trockenes Lächeln.
„Darf ich jetzt hinsehen?", erkundigte er sich. Denn es wurde allmählich ein wenig ermüdend, so zu tun, als merkte er nicht, dass man auf ihn zeigte.
„Hmm? Ach so, ja, ich habe ihr schon zugewinkt. Die andere kenne ich allerdings nicht."
Sebastian stand nicht mit dem Rücken zu den beiden jungen Frauen, die sich ihnen näherten, und so brauchte er sich nur ein Stück zu drehen, um sich ihnen zuzuwenden.
Trotzdem wandte er sich dadurch von Olivia ab, worum er äußerst froh war, denn als er sah, wer da auf ihn zukam ...
Er hielt sich gern für einen Meister der unbewegten Miene, aber selbst er hatte seine Grenzen.
„Kennst du sie?", fragte Olivia.
Sebastian schüttelte den Kopf, während er sie beobachtete, seine lockengekrönte Göttin mit den herrlichen rosa Lippen. „Überhaupt nicht", murmelte er.
„Sie muss neu in der Stadt sein", sagte Olivia schulterzuckend. Geduldig wartete sie, bis die beiden Damen bei ihnen angekommen waren, und lächelte dann. „Ah, Lady Louisa, wie nett, Sie wiederzusehen."
Lady Louisa erwiderte den Gruß, doch Sebastian achtete nicht auf sie. Viel lieber beobachtete er, wie die andere Dame geflissentlich jeden Blickkontakt mit ihm mied.
Darauf heftete er den Blick auf ihr Gesicht, um es ihr noch ein wenig schwerer zu machen.
„Kennen Sie Mr Grey schon, meinen Vetter?", sagte Olivia zu Lady Louisa.
„Ähm, ich glaube, wir wurden einander bereits vorgestellt", sagte Lady Louisa.
„Es war dumm von mir, Sie das überhaupt zu fragen", meinte Olivia. Mit einer Spur Mutwillen wandte sie sich an Sebastian: „Schließlich kennst du alle und jeden, nicht wahr, Sebastian?"
„Beinahe", erwiderte er trocken.
„Oh, verzeihen Sie", sagte Lady Louisa. „Darf ich Ihnen meine, ähm..." Sie hustete. „Entschuldigen Sie. Tut mir leid. Ich habe wohl etwas Staub in die Kehle bekommen."
Sie wies auf die Frau an ihrer Seite. „Lady Olivia, Mr Grey, das ist Miss Winslow."
„Miss Winslow", sagte Olivia. „Wie nett, Sie kennenzulernen. Sind Sie neu in London?"
Miss Winslow knickste höflich. „Ja. Danke der Nachfrage."
Sebastian lächelte und murmelte ihren Namen, und weil er wusste, dass es sie durcheinanderbringen würde, ergriff er ihre Hand und küsste sie. Bei Gelegenheiten wie diesen war er ziemlich froh über seinen Ruf. Olivia würde sich bei seiner Flirterei nichts denken.
Miss Winslow jedoch lief allerliebst zartrosa an. Bei Tageslicht war sie sogar noch anziehender, befand er. Ihre Augen waren von einem hübschen Grüngrau. Zusammen mit ihren dunklen Haaren ließ sie das fast ein wenig spanisch wirken. Ihm gefielen auch die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken. Ohne sie hätte sie viel zu heißblütig gewirkt.
Auch ihr smaragdgrünes Promenadenkleid fand seinen Beifall. Es stand ihr viel besser als das
Weitere Kostenlose Bücher