Rendezvous im Hyde Park
verpasst. Ich werde Vorkehrungen für einen Besuch treffen müssen."
„Ich würde Miss Truesdale den Vorzug geben vor der Hochzeit des Figaro", verkündete Mr Grey, „aber vielleicht nicht vor der Zauberflöte. Es ist so aufmunternd, etwas über der Hölle Rache zu hören, die in einem Herzen kocht."
„Direkt herzerwärmend", murmelte Annabel.
„Was haben Sie gesagt, Miss Winslow?", fragte er.
Annabel schluckte. Er lächelte wohlwollend, aber sie hatte die kleine Spitze in seiner Stimme durchaus gehört, und sie jagte ihr panischen Schrecken ein. Ein Wortgefecht mit diesem Mann konnte sie nur verlieren, da war sie sich sicher.
„Ich habe die Zauberflöte noch nie gesehen", verkündete sie.
„Noch nie?", fragte Lady Olivia. „Wie kann das angehen?"
„In Gloucestershire werden leider recht selten Opern aufgeführt."
„Sie müssen hingehen", erklärte Lady Olivia. „Unbedingt."
„Ich wollte heute Abend hingehen", erklärte Annabel.
„Lady Louisas Familie hat mich eingeladen."
„Aber Sie können nicht gehen, wenn sie zu Hause bleibt und liest", schloss Lady Olivia messerscharf. Sie wandte sich an Lady Louisa. „Sie werden Miss Truesdale und ihren stillen Gentleman wohl auf morgen vertagen müssen. Sie können nicht zulassen, dass Miss Winslow die Oper verpasst."
„Kommen Sie doch auch mit", schlug Louisa vor.
Annabel hätte sie am liebsten umgebracht.
„Sie haben gesagt, Sie hätten die Oper letztes Jahr verpasst", fuhr Louisa fort. „Wir haben eine große Loge, die ist nie voll."
Lady Olivias Gesicht leuchtete auf vor Freude. „Das ist furchtbar nett von Ihnen. Ich komme sehr gern mit."
„Und Sie natürlich auch, Mr Grey", sagte Louisa.
Annabel würde sie wirklich umbringen. Auf die schmerzvollste Weise, die man sich denken konnte.
„Mit dem größten Vergnügen", sagte er. „Aber Sie müssen mir erlauben, Ihnen zum Ausgleich ein Exemplar von Miss Truesdale und der stille Gentleman zu präsentieren."
„Danke", sagte Louisa, doch Annabel hätte schwören können, dass es enttäuscht klang. „Das wäre ..."
„Ich lasse es Ihnen noch heute Nachmittag zustellen", fuhr er glatt fort, „damit Sie sofort mit der Lektüre beginnen können."
„Sie sind überaus zuvorkommend, Mr Grey", murmelte Louisa. Und dann errötete sie. Sie errötete!
Annabel war entsetzt. Und eifersüchtig, aber sie zog es vor, über dieses Detail nicht nachzudenken.
„Können Sie meinen Mann auch noch unterbringen?", fragte Lady Olivia. „Er ist in letzter Zeit ein rechter Einsiedler geworden, aber ich glaube, wir könnten ihn überreden, für die Oper einmal auszugehen. Die Arie der Königin der Nacht ist eines seiner Lieblingslieder."
„All diese köchelnde Höllenrache", meinte Mr Grey. „Wer könnte dem schon widerstehen?"
„Natürlich", sagte Louisa zu Lady Olivia. „Es wäre mir eine Ehre, ihn kennenzulernen. Seine Arbeit klingt faszinierend."
„Ich muss sagen, ich bin wahnsinnig eifersüchtig", murmelte Mr Grey.
„Auf Harry?", fragte Lady Olivia ihn überrascht.
„Ich kann mir keine größere Seligkeit vorstellen, als den lieben langen Tag herumzulungern und Romane zu lesen."
„Und dazu auch noch so gute Romane", warf Louisa ein.
Lady Olivia lachte, sah sich aber doch zu einer Bemerkung genötigt. „Er tut mehr als nur lesen. Da wäre auch noch die Kleinigkeit, die Bücher zu übersetzen."
„Pfft." Mr Grey tat das mit einer lässigen Geste ab. „Ein Kinderspiel."
„Ins Russische zu übersetzen?", fragte Annabel zweifelnd.
Mit beinahe herablassender Miene drehte er sich zu ihr um. „Ich habe mich des Stilmittels der Übertreibung bedient."
Er hatte jedoch so leise gesprochen, dass Annabel glaubte, die anderen beiden hätten ihn nicht gehört. Louisa und Lady Olivia plauderten angeregt über dies und das; sie hatten sich ein Stück nach rechts begeben, sodass Annabel mit Mr Grey zurückblieb. Nicht allein natürlich, weit davon entfernt, aber es fühlte sich dennoch ein wenig so an.
„Haben Sie einen Vornamen, Miss Winslow?", erkundigte er sich leise.
„Annabel", erwiderte sie. Ihre Stimme klang steif, knapp und insgesamt recht unfreundlich.
„Annabel", wiederholte er. „Ich würde ja sagen, dass es zu Ihnen passt, aber woher sollte ich das wissen?"
Sie presste die Lippen zusammen, wackelte jedoch wie verrückt mit den Zehen.
Er grinste verwegen. „Da wir uns ja noch nie begegnet sind."
Sie sagte immer noch nichts. Sie wollte es nicht riskieren.
Das schien ihn
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