Rendezvous im Hyde Park

pastellfarbene Kleid, das sie am Abend zuvor getragen hatte.
    Aber er durfte diese Musterung nicht allzulang ausdehnen.
    Sie könnte zu viel hineininterpretieren, und außerdem durfte er ihre Freundin nicht ignorieren. Ohne jedes Widerstreben wandte er sich von Miss Winslow ab. „Lady Louisa", sagte er mit einem höflichen Nicken. „Wie reizend, Sie wiederzusehen. Ich bedauere, dass sich unsere Wege diese Saison nicht öfter gekreuzt haben."
    „Ich habe den Eindruck, als wären diesmal ungewöhnlich viele Leute zur Saison gekommen", sagte Olivia. „Setzt denn diesmal keiner eine Runde aus?" Sie wandte sich an Lady Louisa. „Ich war mehrere Wochen nicht da, deswegen bin ich völlig uninformiert."
    „Waren Sie auf dem Land?", erkundigte sich Lady Louisa höflich.
    „Ja, in Hampshire. Mein Gatte hat wichtige Arbeit zu erledigen und findet es schwierig, sich in London zu konzentrieren."
    „Meine Schuld", warf Sebastian ein.
    „Man beachte, dass ich nicht widerspreche", sagte Olivia leichthin. Sie wies mit dem Kinn auf ihn. „Er kann einen schrecklich ablenken."
    Diese Behauptung konnte Sebastian nicht so stehenlassen.
    „Das ist eine meiner besten Eigenschaften."
    „Beachten Sie am besten gar nicht, was er sagt", bat Olivia kopfschüttelnd. Sie wandte sich wieder den beiden Damen zu und begann über dies und das zu plaudern. Sebastian verspürte einen höchst ungewohnten Anflug von Ärger. Er konnte gar nicht zählen, wie oft Olivia schon Bemerkungen wie Beachten Sie am besten gar nicht, was er sagt gemacht hatte.
    Dies war jedoch das erste Mal, dass es ihn störte.
    „ Gefällt es Ihnen in London, Miss Winslow?", fragte Olivia.
    Sebastian wandte sich ebenfalls zu Miss Winslow und betrachtete sie mit ausdruckslosem Lächeln. Gespannt wartete er auf ihre Antwort.
    „Ahm, ja", stammelte Miss Winslow. „Es ist sehr amüsant."
    „Amüsant", wiederholte Sebastian. „Was für eine interessante Wortwahl."
    Erschrocken sah sie ihn an. Er lächelte nur.
    „Bleiben Sie die ganze Saison in London, Lady Olivia?", fragte Lady Louisa.
    „Ich glaube, ja. Es hängt davon ab, ob mein Ehemann sich bei all den vielen Ablenkungen konzentrieren kann."
    „Woran arbeitet Harry denn nun?", fragte Sebastian, da Olivia nicht dazu gekommen war, ihm zu verraten, welchen Roman Harry gerade übersetzte. „Ich habe versucht, ihn heute früh zu plagen, aber er hat mich rausgeschickt." Er sah Miss Winslow und Lady Louisa an und sagte: „Man möchte fast meinen, er kann mich nicht leiden."
    Lady Louisa kicherte. Miss Winslow behielt ihre steinerne Miene bei.
    „Mein Mann ist Übersetzer", sagte Olivia zu den Damen und tat Sebastian mit einem Augenrollen ab. „Im Moment übersetzt er einen Roman ins Russische."
    „Wirklich?", fragte Miss Winslow. Sebastian musste einräumen, dass sie tatsächlich interessiert klang. „Welchen Roman denn?"
    „Miss Truesdale und der stille Gentleman von Sarah Gorely. Haben Sie ihn gelesen?"
    Miss Winslow schüttelte den Kopf, während Lady Louisa fast einen Satz nach vorn tat und ausrief: „Nein!"
    Olivia blinzelte. „Ähm ... ja?"
    „Nein, ich wollte sagen, dass ich ihn noch nicht gelesen habe", erklärte Lady Louisa. „Die anderen habe ich natürlich alle gelesen. Wie hätte ich die verpassen können?"
    „Dann gefallen sie Ihnen?", erkundigte sich Sebastian.
    Wenn so etwas passierte, war er immer höchst beglückt.

„O ja", entgegnete sie. „Ich dachte, ich hätte sie alle gelesen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie aufgeregt ich bin, dass es noch einen gibt, den ich noch nicht kenne."
    „Ich muss gestehen, dass ich die Lektüre ein wenig mühsam finde", sagte Olivia.
    „Wirklich?", fragte Sebastian.
    Olivias Lippen verzogen sich zu einem nachsichtigen Lächeln. „Sebastian ist auch ganz begeistert", sagte sie zu den anderen jungen Damen."
    „Von Mrs Gorely?", fragte Louisa. „Sie erzählt die spannendsten Geschichten."
    „Wenn es einen nicht stört, dass sie hin und wieder vollkommen unwahrscheinlich sind", warf Olivia ein.
    „Aber deswegen sind sie doch so amüsant", erklärte Louisa.
    „Warum hast du Schwierigkeiten mit Miss Truesdale?", erkundigte sich Sebastian bei Olivia. Er wusste, dass er besser nicht nachfragen sollte, aber er konnte sich einfach nicht bezähmen. Er versuchte, ihr seine Romane schmack-haft zu machen, seit sie ihm erklärt hatte, er habe das Wort
    „Dunstkreis" inkorrekt verwendet.
    Nicht dass sie wusste, dass er das war.
    Außerdem war „Dunstkreis"