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Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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die Besessenheit, mit der Sie verlangen, dass die Leute das sagen sollen, was sie meinen."
    „Es ist keine Besessenheit", protestierte sie.

    Er hob eine Augenbraue. Die Bewegung wurde von der Augenklappe beinahe verdeckt, aber irgendwie wurde sie dadurch noch provozierender.
    „Ist es nicht!", beharrte Annabel. „Es ist nur vernünftig. Denken Sie doch, wie viele Missverständnisse verhin-dert werden könnten, wenn die Leute direkt miteinander redeten, statt es einem zu erzählen, der es dann vielleicht jemand anderem weitererzählt, der es dann seinerseits weitererzählt, der dann wiederum..."
    „Sie bringen hier zwei Sachen durcheinander", unterbrach er sie. „Das eine ist eine verworrene Ausdrucksweise, das andere schlicht Klatsch."
    „Beide sind gleich verwerflich."
    Er sah mit einer Spur Überheblichkeit auf sie hinunter.
    „Sie sind äußerst streng mit Ihren Mitmenschen, Miss Winslow."
    „Ich finde nicht, dass ich zu viel verlange", erklärte sie empört.
    Langsam nickte er. „Trotzdem wäre es mir wohl lieber gewesen, mein Onkel hätte Mittwochabend nicht gesagt, was er dachte."
    Annabel schluckte. Ihr war ein wenig mulmig, und ein schlechtes Gewissen hatte sie auch.
    „Ich glaube, ich weiß Ehrlichkeit sehr wohl zu schätzen. Natürlich auf rein philosophischer Ebene." Er grinste schief. „Praktisch gesehen, finde ich mich ohne Augenklappe hübscher."
    „Tut mir leid", sagte sie. Sie sagte damit zwar nicht genau das Richtige, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Und wenigstens war es nicht falsch.
    Er winkte ab. „Alle neuen Erfahrungen sind gut für die Seele. Jetzt weiß ich genau, wie es ist, ins Gesicht geschlagen zu werden."
    „Das soll gut für die Seele sein?", fragte sie zweifelnd.
    Er zuckte mit den Schultern und schaute in die Menge.
    „Man kann es dann beschreiben. Und man kann nie wissen, wann eine solche Beschreibung einmal nützlich werden könnte."
    Annabel fand diese Bemerkung äußerst seltsam, enthielt sich aber jeden Kommentars.
    „Außerdem", sagte er munter, „wenn es keine Missverständnisse gäbe, wäre viel große Literatur nicht geschrieben worden."
    Fragend sah sie ihn an.
    „Wo wären Romeo und Julia?"
    „Am Leben."
    „Ja, sicher, aber denken Sie nur daran, wie viel Unterhaltung uns anderen dadurch entgangen wäre."
    Annabel lächelte. Sie konnte nicht anders. „Ich ziehe Komödien vor."
    „Wirklich? Ja, sie sind wohl noch unterhaltsamer. Aber dann würde man nie das Gefühl dramatischer Spannung erfahren, das einem Tragödien vermitteln." Er hatte wieder die Miene aufgesetzt, die sie nun schon so gut kannte - die höfliche Maske, die er in der Gesellschaft trug, die ihn als gelangweilten bon vivant auswies, so widersprüchlich diese Begriffe auch sein mochten. Und tatsächlich stieß er einen affektierten Seufzer aus, ehe er sagte: „Was wäre das Leben ohne freudlose Momente?"
    „Ziemlich wunderbar, finde ich." Annabel dachte an den freudlosen Moment, den sie kürzlich durch Lord Newburys Nähe erfahren hatte. Sie hätte gut darauf verzichten können.
    „Hmmm." Mehr sagte - oder brummte - er nicht. Annabel hatte das merkwürdige Bedürfnis, die Stille zu füllen, und so platzte sie heraus: „Ich wurde zu der Winslow gewählt, die am ehesten freimütig sagt, was sie denkt."
    Das weckte seine Aufmerksamkeit. „Wirklich?" Um seine Lippen zuckte es. „Wer da wohl die Wählerschaft gewesen sein mag?"
    „Ahm, die anderen Winslows."
    Er lachte.
    „Wir sind zu acht", erklärte sie. „Zehn, wenn man meine Eltern mitrechnet, na ja, nach dem Tod meines Vaters neun, aber das ist für eine anständige Wahl immer noch mehr als genug."
    „Tut mir leid wegen Ihres Vaters", sagte er.
    Sie nickte, wartete darauf, dass sich wie immer ein Kloß in ihrer Kehle bildete. Diesmal wartete sie vergeblich. „Er war ein guter Mensch", sagte sie.
    Er nickte und fragte dann: „Was haben Sie denn sonst noch für Titel errungen?"
    Schamhaft verzog sie das Gesicht. „Die Winslow, die am ehesten in der Kirche einschläft."
    Das entlockte ihm ein lautes Lachen.
    „Alle schauen schon", flüsterte sie drängend.
    „Machen Sie sich nichts daraus. Am Ende gereicht es Ihnen zum Vorteil."
    Ach ja. Annabel lächelte verlegen. Schließlich gaben sie hier ja eine Vorstellung ab, nicht wahr?
    „Noch mehr Titel?", fragte er. „Nicht dass irgendetwas den letzten übertreffen könnte."
    „Ich wurde Dritte bei der Wahl des Winslow, der am ehesten einem Truthahn davonlaufen

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