Rendezvous im Hyde Park
schon."
Newbury warf ihm ein triumphierendes Lächeln zu, nahm sie am Arm und führte sie davon.
Sebastian sah ihnen nach. Er kochte vor Wut, hasste dieses Gefühl, hasste es, dass alle ihn anstarrten, um zu sehen, was er tun würde.
Er hatte verloren. Irgendwie hatte er verloren.
Er fühlte sich auch verloren.
Am folgenden Nachmittag
Besuch. Annabel wurde förmlich überschüttet von Besuch.
Jetzt, da sowohl Lord Newbury als auch Mr Grey sich für sie interessierten, hatte die Gesellschaft das Bedürfnis, sie sich selbst anzuschauen. Irgendwie schien es keine Rolle zu spielen, dass dieselben Leute sie Anfang der Woche bereits gesehen hatten, als sie noch ein Objekt allgemeinen Mitleids gewesen war.
Am frühen Nachmittag wollte Annabel dem Ganzen unbedingt entkommen, und so hatte sie Zuflucht bei der albernen Ausrede gesucht, dass sie zu ihrem neuen lavendelfarbenen Kleid unbedingt einen passenden Hut brauchte.
Am Ende winkte ihre Großmutter ab und sagte: „Nun geh schon! Ich kann mir diesen Unsinn keinen Augenblick länger anhören."
Dass Annabel sich davor nie sonderlich für Mode interessiert hatte, schien sie nicht zu bekümmern. Sie fand auch nichts Merkwürdiges daran, dass jemand, der so darauf erpicht war, genau die passende Farbschattierung zu finden, das Kleid dann gar nicht erst zur Modistin mitnahm.
Allerdings war Lady Vickers auch völlig in ihre Patiencen vertieft und noch tiefer in ihre Brandykaraffe. Annabel hätte sich vermutlich auch einen indianischen Federschmuck auf den Kopf schnallen können, ohne dass ihre Großmutter darüber ein Wort verloren hätte.
Annabel und ihre Zofe Nettie waren umgehend in die Bond Street aufgebrochen, wobei sie sich an die weniger befahrenen Straßen hielten. Am liebsten wäre Annabel auf diesen weniger befahrenen Straßen geblieben, wenn es möglich gewesen wäre. Aber sie konnte ja nicht gut ohne irgendeine neue Errungenschaft nach Hause zurückkehren, die man sich auf den Kopf setzen konnte, und so ging sie einfach weiter. Sie hoffte, dass die frische Luft ihr dabei half, wieder klare Gedanken zu fassen.
Natürlich half sie nicht, und die Menschenmenge in der Bond Street machte alles nur noch schlimmer. Alle schienen an diesem Tag unterwegs zu sein, Annabel wurde herumgeschoben und angerempelt, und das allgemeine Stimmengewirr und das Wiehern der Pferde machte sie ganz nervös.
Außerdem war es heiß, und sie hatte das Gefühl, als reichte die Luft nicht für alle.
Sie saß in der Falle. Lord Newbury hatte ihr am Abend davor zu verstehen gegeben, dass er sie immer noch zu heiraten gedachte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er seine Absichten öffentlich machte.
Sie war so erleichtert gewesen, als es den Anschein hatte, er wolle sie nicht mehr. Natürlich brauchte ihre Familie das Geld, aber wenn er sie nicht um ihre Hand bat, konnte sie auch nicht Ja sagen. Oder Nein.
Sie würde sich nicht an einen Mann binden müssen, den sie abstoßend fand. Oder ihm einen Korb geben und dann mit den Schuldgefühlen wegen ihrer Selbstsucht leben müssen.
Um alles noch schlimmer zu machen, hatte sie an diesem Morgen einen Brief von ihrer Schwester erhalten. Maiy war nach Annabel die Zweitälteste, und sie hatten sich immer nahe gestanden. Wenn Mary sich nicht im Frühjahr eine Lungenkrankheit zugezogen hätte, wäre sie sogar mit ihr nach London gefahren. „ Zwei zum Preis von einer ", hatte Lady Vickers gesagt, als sie damals angeboten hatte, sich um das Debüt der Mädchen zu kümmern. „So wird alles viel billiger."
Marys Brief war munter und fröhlich gewesen, voller Neu-igkeiten über ihre Familie, das Dorf, die Tanzabende und die Amsel, die irgendwie in die Kirche geraten und dann unter wildem Flügelgeflatter auf dem Kopf des Pfarrers gelandet war. Der Brief war einfach wunderbar, und Annabel bekam solches Heimweh, dass sie es kaum ertragen konnte. In Marys Brief hatte allerdings noch mehr gesteckt. Kleine Hinweise auf Sparmaßnahmen, dass die Mutter die Gouvernante hatte entlassen müssen, und das peinliche Dinner, als zwei Mitglieder des Landadels unangemeldet bei ihnen vorbei-gekommen waren und nur eine Sorte Fleisch auf dem Tisch gestanden hatte.
Das Geld wurde knapp. Mary hatte es zwar nicht ausdrücklich geschrieben, aber es ging ganz klar aus dem Brief hervor. Bei dem Gedanken an ihre Schwester stieß Annabel einen tiefen Seufzer aus. Mary saß vermutlich zu Hause und stellte sich vor, wie Annabel die Aufmerksamkeit irgendeines unglaublich
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