Rendezvous in Kentucky
Kaminsims. Nein, sie würde sie nicht mitnehmen. Dieser Teil ihres Lebens war vorbei. Ein letztes Mal strichen ihre Hände über das glatte Holz. Dann seufzte sie tief auf und packte die vier kurzentschlossen zu ihren Kleidern. Ist ja egal, rechtfertigte sie sich vor sich selbst, ich kann sie ja immer noch verkaufen.
Es klopfte. Vor der Tür stand Lyttle Emerson.
»Es ist soweit, Lynna. Ganz Sweetbriar ist gekommen, um dir Lebewohl zu sagen.«
Linnet trat ins Freie. Alle warteten auf sie. Zuerst ging Linnet zu Wilma und Floyd, ihre vier Kinder standen bedrückt neben ihnen.
»Du wirst uns fehlen«, bekannte Wilma und umarmte Linnet. »Vielen Dank, daß du dich so um Jessie gekümmert hast.«
Linnet wandte sich ab, damit niemand ihre Tränen sah.
Floyd schüttelte ihr mit versteinertem Gesicht die Hand. Jonathan, Caroline und Mary-Lynn lächelten ihr zu und sagten, wie schade es wäre, daß sie fortginge. Vor Jessie kniete Linnet nieder. Er streckte ihr die Hand hin. »Ich hab’ mir gedacht, es könnte dir gefallen. Ist nicht viel, nur ein Stein. Aber er hat ein Loch...«
»Ich danke dir, Jessie«, raunte Linnet heiser.
Esther Stark drückte sie an sich und dankte ihr für die Hilfe bei der Entbindung ihres Babys, das sie Lincoln genannt hatte. Die Zwillinge weinten bettelnd, sie möge doch bleiben. Der Abschied von den Emersons fiel ihr am schwersten. Lonnie war beleidigt und meinte, er hätte ihr nicht das Leben gerettet, damit sie jetzt mir nichts, dir nichts ohne seine Erlaubnis verschwände.
Agnes zerbrach sie fast in ihrer Umarmung. »Denk an das, was ich dir gesagt habe! Du bist immer bei uns willkommen.«
Während ihr die Tränen die Wangen herunterliefen, schüttelte Linnet Lyttles Hand. Es war ihr nie bewußt geworden, wie glücklich sie in Sweetbriar gewesen war.
Etwas weiter entfernt standen Doll und Gaylon. Linnet vergoß noch mehr Tränen, als sie daran dachte, daß sie nie wieder hören würde, wie diese Männer Devon neckten. Bevor sie auf den Planwagen kletterte, versank sie vor den beiden Alten in einem tiefen Knicks. Dem tiefsten, den sie beherrschte — er stand dem König zu.
Lyttle half ihr auf den Wagen, und sie zwang sich, nicht zurückzusehen.
12
Sweetbriar, Kentucky — April 1787
Der Trapper warf ein ansehnliches Bündel Felle auf den Ladentisch. Zum ersten Mal seit nahezu zwei Jahren hatte ihn sein Weg wieder nach Sweetbriar geführt. Es hatte sich viel verändert. Die Siedlung war jetzt doppelt so groß, und er kannte die meisten Leute nicht mehr. Er fragte sich verwundert, wo Mac und Gaylon blieben und wo der alte Mann namens Doll war, der gewöhnlich vor dem Kamin saß. Der Blick des Trappers schweifte durch den Laden — auch hier war manches anders geworden. Mac hatte immer auf Sauberkeit und Ordnung geachtet und auch Gaylon dazu angehalten — aber jetzt sah der Laden mehr so aus, als ob eine Herde Bären hier ihren Winterschlaf gehalten hätte.
Zeke setzte sich vor das Feuer und streckte seine langen Beine aus. Vielleicht hatte die Unordnung etwas mit dem kleinen Mädchen zu tun, das er in der Stadt des Friedensrichters gesehen hatte. Er war überrascht gewesen, als er sie mit einem Haufen Kinder spielen sah, die nicht viel kleiner als sie waren. Überrascht deshalb, weil er ihr schon einmal in Sweetbriar begegnet war. Damals hatte sie die ganze Männerwelt in Aufruhr versetzt.
Zeke mußte lächeln, als er sich daran erinnerte, wie Mac, immer wenn er sich unbeobachtet glaubte, dem Mädchen mit seinen Blicken gefolgt war. Er, Zeke, war in seiner Ju-
gend genauso gewesen. Aber Gott sei Dank hatte Molly genug Verstand besessen, um ihn zu durchschauen. Sie hatte ihre Schwangerschaft dazu benutzt, ihn zum Altar zu schleifen, und er war noch eine ganze Zeit danach ziemlich sauer auf sie gewesen. Aber sie hatte ihn erzogen. In den folgenden zehn Jahren war er ein sehr glücklicher Mann gewesen. An Mollys Tod erinnerte er sich nur mit Schaudern, denn Zeke war dadurch völlig aus der Bahn geraten. Schließlich hatte er die Kinder in den Osten zu Verwandten geschickt und lebte seitdem in den Wäldern.
Zeke schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken zu verscheuchen. Lieber dachte er an die früheren, glücklichen Jahre mit Molly. Mac verhielt sich wirklich so ähnlich wie er damals — er fürchtete sich vor den starken Gefühlen, die er für das Mädchen hegte. Wenn ein Mann so sehr liebte, dann war er verletzbarer als sonst, weil er dann zuviel von sich selbst
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