Rendezvous in Kentucky
lachende Menschen kehrten in Linnets Blockhütte zurück. Aber der Anblick, der sich ihnen bot, zerstörte das Glück dieses Tages.
20
Miranda schrie wie am Spieß, an ihrem Körper klebten Lehmklumpen. Als sie ihre Mutter erblickte, befreite sie sich sofort aus Netties Armen und lief ihr entgegen. Linnet streichelte sie beruhigend. Das kleine Mädchen zitterte am ganzen Leib, und auch Linnet begann Furcht zu spüren.
»Was ist hier los gewesen?« verlangte Devon zu wissen, seine Stimme bebte vor Zorn.
»Es hat begonnen«, erwiderte Nettie bedrückt. »Die Gören haben Lehm auf Phetna und das Kind geschmissen und geschrien, sie wären Hexen.« Sie beugte sich über Phetna und tupfte ihr das Blut ab, das aus einer Platzwunde auf der Stirn rann.
Devon eilte zu der alten Frau, kniete vor ihr nieder und nahm Nettie das Tuch aus der Hand. »Scheint nicht nur Lehm gewesen zu sein!« Phetna ertrug ruhig, daß Devon ihr die Wunde auswusch.
Endlich war es Linnet gelungen, Miranda zu beruhigen. Das verzweifelte Schluchzen des Kindes verebbte, und es herrschte endlich wieder Stille in der kleinen Hütte.
Phetna sah Devon mit tränennassen Augen an. »Du hättest mein Sohn sein können«, seufzte sie leise.
Er gab ihren Blick ruhig zurück, grinste und reinigte weiter die Wunde. »Ist schon gut, daß ich es nicht bin. Ich habe nämlich den Verdacht, daß Sie mir das Hinterteil tüchtig verdroschen hätten. Wahrscheinlich hätte ich tagelang nicht mehr richtig sitzen können.«
Phetna kicherte in ihrem gewohnten, schrillen Gackerton. »Wenn Sie das so sehen, dann haben Sie natürlich recht!«
Es dauerte Stunden, ehe alles in der Hütte wieder in gewohnten Bahnen lief. Nettie mußte heim, und deshalb half Devon Linnet, als sie Miranda badete. Das Kind nutzte die Unerfahrenheit seines Vaters freudig aus, und die beiden setzten das halbe Haus unter Wasser. Die Wunde an Phetnas Kopf mußte erneut versorgt werden, und die Alte bestand darauf, daß Devon und nur Devon es machen sollte. Nachdem auch das erledigt war, legten sich Phetna und Miranda erschöpft nieder und schliefen bald ein.
Irgendwann in der Nacht erwachte Linnet, weil sie Devon nach draußen schleichen hörte. Als er nach ein paar Minuten nicht zurückgekehrt war, ging sie ebenfalls hinaus, um nach ihm zu sehen. Sie fand ihn auf der Veranda. Er saß auf den Stufen und hatte das Gesicht in den Händen vergraben.
Sie flüsterte: »Es scheint so, als ob du heute drei weibliche Herzen erobert hättest.«
Er ignorierte ihren Scherz. »Wir müssen handeln, Linnet. Die sind in der Überzahl, und ich bin noch viel zu schwach, um allein gegen sie anzutreten!«
Sie setzte sich neben ihn. »Du bist nicht allein — ich bin auch noch da!«
Er sah sie liebevoll an. Ihr Gesicht schimmerte im Mondlicht. »Du hast schon zu viele Kämpfe allein durchgefochten. Dieses Mal mußt du mir schon die Sorge um dich und das Kind überlassen! Wir können nur eins tun — diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Morgen reiten wir nach Hause.«
»Nach Hause«, sagte Linnet leise und versonnen. »Sweetbriar.«
»Ja. Wir reiten nach Sweetbriar und nehmen Phetna mit. Du hast doch nichts dagegen?«
Linnet war glücklich. »Hervorragend. Ich freue mich darüber!«
»Jetzt geh schnell wieder rein, sonst vergesse ich, daß du noch nicht meine Frau bist! Ich hätte nämlich nicht übel Lust, dich gleich hier auf der Veranda zu lieben!«
Sie zögerte, doch als sie den begehrlichen Blick in seinen Augen bemerkte, stand sie schnell auf und ging hinein. An der Tür drehte sie sich noch einmal um, aber er war schon wieder in seine Grübeleien versunken und achtete nicht mehr auf sie.
Der Richter goß sich mit zitternden Händen noch einmal seinen Zinnkrug voll. Vor seinen Augen schienen Blitze zu explodieren. Diese kleine Hexe hatte ihn zum Gespött aller Leute gemacht!
Er drehte sich um und sah den Indianer an, der gefesselt in einer Ecke des Blockhauses lag. So, sie dachte also, der Richter wäre jemand, über den sie sich zusammen mit ihrem Liebhaber lustig machen könnte, was? Wenn er wirklich so schwächlich wäre, warum hatte man ihm dann respektvoll den Titel Richter zuerkannt?
Wieder füllte er den Krug. Der Whisky rann sanft durch seine Kehle. Er spürte jetzt gar keine Wirkung mehr — nur noch Zorn. Grenzenlose Wut beherrschte sein gesamtes Denken. Er erinnerte sich daran, wie er sie in Boston aufgelesen hatte. Wo wäre sie denn heute, wenn es ihn nicht gegeben hätte? Und
Weitere Kostenlose Bücher