Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
informiert«, gestand ich.
Ein langes Seufzen drang durchs Telefon. »Ich habe dich doch ausdrücklich gebeten, diese Informationen vertraulich zu behandeln.«
»Na ja, es ist mir halt so rausgerutscht. Warum willst du eigentlich nicht, dass er es erfährt?«
»Ich will durchaus, dass er es erfährt. Aber noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Es gibt gewisse ethische Vorbehalte, die ein Mensch nicht verstehen würde. Die Gräfin ist eine von uns. Das macht ihre Eliminierung zu einem Problem.«
»Wie sind denn andere abtrünnige Vampire, ähm, ›eliminiert‹ worden?«, fragte ich.
»Gar nicht. Zumindest nicht von einem von uns. Die Gräfin tötet Menschen, genau wie die meisten anderen Vampire auch. Ihre Motive dafür sind unerheblich. Es liegt in der Natur des Vampirs und ist kein Verbrechen.«
»Auf ihrem Landsitz hätte die Gräfin beinahe Benny getötet, wenn ich nicht aufgetaucht wäre.«
»Kannst du mit Sicherheit sagen, dass sie vorhatte, Benny zu töten? Und selbst wenn: Fakt ist, dass sie es nicht getan hat. Oberste Priorität der Dark Wings ist auf jeden Fall, die Gräfin von dem Attentat abzuhalten. Die Frage ist nur, wie, und was wir mit ihr machen, falls wir sie erwischen. Hier kann man nicht die üblichen Maßstäbe anlegen.«
»Es gibt noch etwas«, sagte ich. »Tallmadge ist verschwunden. Weißt du davon?«
»Ja.«
»Arbeitet er mit der Gräfin zusammen?«
»Gut möglich.«
»Warum habe ich das Gefühl, dass du etwas vor mir verheimlichst?«, fragte ich frustriert.
»Sind wir durch mit dem Mutter-Tochter-Geplaudere? Ich bekomme Besuch, und der Hummus ist noch nicht fertig«, sagte sie, und ich vermochte beim besten Willen nicht zu ergründen, was sie gerade dachte.
»Gib mir noch eine Minute, bevor du weiter die Welt rettest«, bat ich sie und klärte sie über die neuesten Versuche auf, meinen Hund zu stehlen. Sie hörte aufmerksam zu und hakte ein paar Mal nach, um sicherzugehen, dass sie alles richtig verstanden hatte. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass J ihr bereits Bericht erstattet hatte. Meine Mutter mischte sich selbst nach vierhundert Jahren noch ungeniert in mein Leben ein und ließ sowohl mein Gebäude als auch mich überwachen, was gelegentliches Beschatten und Telefonanzapfen mit einschloss. Die Art der Fragen, die sie mir zu den Entführungsversuchen stellte, machten jedoch den Eindruck, dass sie noch nicht darüber Bescheid wusste.
Mar-Mar bot an, mir jemanden zu schicken, der mich zu Tino Leguizamo begleitete. Ich dankte ihr für das Angebot, sah aber keinen Nutzen darin. Sie würde mit Sicherheit ihre eigenen Quellen anzapfen, sobald ich aufgelegt hatte. Selbst falls sie dabei nicht viel herausfand – schaden konnte es nicht.
Nach etwa einer halben Stunde in der Linie sieben stieg ich an der Vierundsiebzigsten Straße in Queens aus und ging in Richtung Siebenunddreißigste Avenue. Ich kam an dem Sari-Geschäft Patel Brothers und dem berühmten Jackson Diner vorbei, bevor ich an den steinernen Apartmenthäusern entlang der Straße aufmerksam nach der Nummer Ausschau hielt, die mit Tinos Führerschein übereinstimmte.
Das Haus war alles andere als eine Bruchbude, sondern sauber und gepflegt und mit einem erloschenen Springbrunnen im Hof. Vielleicht funktionierte der Springbrunnen bei warmem Wetter sogar. Auf jeden Fall schwammen keine McDonald’s-Tüten im Becken. Auf den Klingelschildern an der Tür fand ich hinter Wohnung 3D den Namen T. Leguizamo und drückte daraufhin so lange auf verschiedene Klingelknöpfe und rief »Pizzalieferung«, bis mir irgendjemand die Haustür öffnete.
Als ich aus dem Aufzug stieg und auf die Nummer 3D zuging, drang mir das laute Spanisch eines Mannes und einer Frau entgegen, die in einen heftigen Streit verwickelt waren. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Eine Frau mit erhitztem Gesicht und vom Weinen geröteten Augen stürzte aus der Wohnung, murmelte »¡Perdone!« , als sie sich an mir vorbei in den Aufzug drängte. Sie hämmerte so lange auf die Knöpfe ein, bis sich die Aufzugtüren schlossen.
Ich ging zur Wohnungstür und klopfte leise an.
»Luz! Lo siento … «, rief ein kleiner Mann mit übel mitgenommenem Gesicht, während er die Tür öffnete. Als er mich sah, versuchte er, die Tür wieder zuzuschlagen, doch ich lehnte mich mit der Schulter dagegen und schlüpfte ins Innere der Wohnung. Bevor Tino nach einem Baseballschläger greifen konnte, nahm ich seinen Arm und verdrehte ihn hinter seinem Rücken. Er
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