Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
wurde verhaftet und im Palazzo dei Cavalieri in Pisa eingesperrt, und man munkelt, dass sein Kopf auf dem Henkerstisch enden wird.«
»Wann?«, fragte ich, zitternd und in schrecklicher Angst um Byron.
»Ich weiß es nicht. In ein paar Tagen? Nächste Woche? Seine Freunde haben versucht, seine Freiheit zu erkaufen, sind aber gescheitert. Unglücklicherweise hat man mich als Mitverschwörerin der Carboneria identifiziert und hier im Norden ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt. Ich nehme Pietro mit in den Süden nach Neapel. Pietros Schwester hat uns um Hilfe ersucht, aber weder er noch ich können zurück nach Pisa. Vielleicht möchtest du uns helfen?«
Meine Mutter schlug tatsächlich vor, dass ich Byron zur Hilfe kommen sollte! Wenn ich jedoch ein bisschen länger darüber nachgedacht hätte, wäre mir bewusst geworden, dass es in ihren Augen nicht um Byron, sondern um die Sache an sich ging. Dass mein Herz in das Ganze verstrickt war, bedeutete ihr überhaupt nichts. Wenn sie eine Intrige spann, manipulierte sie jeden, sogar mich, um ihr Ziel zu erreichen.
Später in der Nacht ließ ich meine Kutsche anspannen und begab mich auf die Reise nach Pisa, das etwa achtzig Kilometer entfernt lag. Kalter Novemberregen hatte das warme Wetter vertrieben und verwandelte die Wege in Morast. Zwei Nächte später erreichte ich die Stadt. Meine Kutsche bog auf die ausgedehnte Piazza um den berühmten Schiefen Turm ein. Ich stieg aus und wies den Fahrer an, vor einem unauffälligen Gasthof außerhalb der dicken Stadtmauern zu warten.
Ich hatte meinen Geldbeutel mit Silbermünzen gefüllt und einige meiner am üppigsten verzierten Schmuckstücke zum Tausch mitgenommen. Die Florentiner und Pisaner liebten Gold – ich hoffte, dass Byrons Kerkermeister ihn gegen diesen Tand einlösen würden. Wenn sie sich allerdings weigerten, hatte ich keinerlei Bedenken, den Einsatz für den Tauschhandel zu erhöhen – um ihre Leben.
Regen durchweichte die alte Stadt, daher legte ich einen schweren Umhang an und lief rasch durch die engen Gassen in Richtung der Piazza dei Cavalieri, wo eine Statue von Cosimo de’ Medici mit grausamen Augen auf all jene herabblickte, die den Platz betraten. Ich ging nicht zum Hauptpalast, sondern zu dem nahen Palazzo dell’Orologio, der schon lange als Gefängnis benutzt wurde. Es war ein scheußlicher, geisterhafter Ort, an dem unaussprechliche Greueltaten geschahen. In vergangener Zeit war der Bürgermeister der Stadt zusammen mit seinen Söhnen und Enkelsöhnen des Verrats beschuldigt und zum Tode durch Verhungern verurteilt worden. Man erzählte sich, dass er seine eigenen Kinder gegessen hatte, eines nach dem anderen, bis die gesamte Familie ausgelöscht war. Ich zweifelte nicht daran, dass zumindest ein Fünkchen Wahrheit in dieser alten Geschichte steckte. Uns Vampire nennt man böse, dabei verdienen viele Menschen diese Bezeichnung viel mehr als wir.
Im Innern des Palazzo kauerten vier Wachen auf dem Boden und waren in ein Würfelspiel vertieft. Sie hätten mich wahrscheinlich ignoriert, wenn ich nicht einen von ihnen mit meinem nassen, schlammigen Stiefel getreten hätte. Mein hochmütiges Gebaren, meine schmuckverzierten Hände und mein schwerer Umhang aus feinstem Stoff wiesen mich als ein Mitglied der Aristokratie aus. » Cane! Hund!«, rief ich barsch. »Steh auf. Ich wünsche Lord Byron zu sehen.«
Eine der Wachen, ein junger, wieselgesichtiger Kerl, schaute mich anmaßend an, blieb jedoch sitzen. »Sie und die Hälfte aller Frauen in Pisa wollen ihn sehen. Er darf keinen Besuch empfangen. Verschwinden Sie.«
Ich nahm eine Handvoll Silbermünzen und warf sie auf den Boden, und die vier Wachen beeilten sich, sie einzusammeln. »Ihr dreckigen Tiere«, sagte ich mit drohender Stimme. »Ich hätte euch alle Glieder einzeln ausreißen sollen. Dankt Gott in euren Gebeten, dass ich euch stattdessen Geld gegeben habe.« Die vier Wächter starrten mich an, denn meine Stimme war nicht die einer edlen Dame, sondern die Stimme des Todes. Ich lächelte ein grausames Lächeln. »Ich wünsche Byron auf der Stelle zu sehen, ihr räudigen Köter.«
Einer der Männer führte mich geschwind zu einer schmalen Treppe, die nach unten in die Kerker führte. Mit zitternden Händen entriegelte er eine eiserne Tür und schwang sie weit auf. Dunkelheit und Gestank schlugen mir entgegen. Auf dem Boden auf schmutzigem Stroh lag die vornübergebeugte Gestalt eines Mannes. Er richtete sich auf und stützte sich auf den
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