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Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)

Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)

Titel: Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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an meinem Land und
    dem Betrug an meinem Freund,
    besäße ich hoffentlich den Mumm,
    mein Land zu betrügen.
    E. M. Forster

    G epeinigt in Geist und Seele machte ich mich auf den Rückweg zu meiner Wohnung. Ich veränderte mich gerade auf eine Art, die mir gar nicht gefiel und die mir Angst machte. Doch als ich durch die Wohnungstür in die gewohnte Umgebung trat, fühlte ich mich sofort gestärkt. Auf meinem eigenen Territorium erlangte ich schnell die Kontrolle über mich zurück. Vielleicht bildeten Jade und Gunther mit ihrer tierischen Freundlichkeit und Unschuld ein Gegengewicht zu den Vampiren, die mich in die Tiefe zu ziehen drohten.
    Während Jade an meinem Bein lehnte und Gunther aus seinem Käfig herauskam und sich auf meine Schulter setzte, versuchte ich, mir über meine Situation klarzuwerden. Ich musste mich von dem Gebaren dieser New Yorker Vampire und den zerstörerischen Kräften, die sie heraufbeschworen, fernhalten. Aber Benny befand sich noch irgendwo bei ihnen. Nach der heutigen Nacht war ich ihrem Aufenthaltsort keinen Schritt nähergekommen und musste daher unbedingt in der nächsten mit zu dieser Jagd gehen. Falls Benny der Gräfin und Tallmadge emotional hörig war oder gegen ihren Willen festgehalten wurde, stellte dies vielleicht meine einzige Möglichkeit dar, sie von dem dunklen Pfad abzubringen, der in einen Abgrund aus geistlosen Vergnügungen und Verdorbenheit führte.
    Doch ich sah mich dem Risiko gegenüber, selbst in diesen Abgrund hineingezogen zu werden. Wenn ich am nächsten Abend das Labyrinth betrat, würde ich dann dem dunklen Pfad folgen, bis es kein Zurück mehr gab? Würde das Stillen meines Blutdursts zu meinem einzigen Lebenssinn, das Jagen von Beute zu einem Zwang, die Macht über andere – das erotische Fundament all jener Dinge – eine Obsession werden?
    Ich musste mich dagegen wappnen, auch wenn ich noch nicht wusste, wie ich dies anstellen sollte. Da Wissen jedoch bekanntlich Macht ist, rief ich meine Mutter an.
    Ich scherte mich nicht um Begrüßung und Geplaudere, sondern kam direkt zur Sache. »Ich brauche Informationen aus einem Dossier, Mar-Mar. Ich hoffe, dass es bei den Unterlagen ist, die wir von Opus Dei mitgenommen haben.«
    Sie bemerkte die Dringlichkeit in meiner Stimme und antwortete, ohne nach dem Warum zu fragen: »Wessen Dossier?«
    »Das einer Frau namens Gräfin Giulietta Ariadne Giuseppina de Ericé. Ich brauche noch vor morgen Abend eine Kopie davon.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
    »Mar-Mar? Bist du noch da?«
    »Ja. Warum willst du ausgerechnet diese Akte?«
    »Ich bin mir sicher, dass sie irgendetwas im Schilde führt.«
    »Ja, das glaube ich auch«, stimmte Mar-Mar mir zu. »Sie muss aufmerksam beobachtet werden.«
    Das verblüffte mich. Da ich J noch nichts von Bennys Verschwinden erzählt hatte, konnte meine Mutter eigentlich auch nichts davon wissen. Vielleicht hatte sie aber mit Tallmadge gesprochen.
    »Da du kein Fax hast und die Nacht bald vorbei ist, werde ich einen meiner Leute mit einer Kopie zu dir schicken«, sagte Mar-Mar. »Er schiebt es unter deiner Wohnungstür durch. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass dieses Dossier höchst vertraulich ist. Erzähle nichts davon – und ich meine absolut nichts – deinem Team. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, sicher«, sagte ich. Die Aufforderung zu absoluter Geheimhaltung war typisch für Mar-Mar. Trotzdem war ich erleichtert, dass sie mir das Dossier zur Verfügung stellte.
    Ich legte auf und starrte eine Weile lang das Telefon an. Ich hätte J anrufen und ihm berichten sollen, was ich über Joe Daniel herausgefunden hatte. Es hätte mit einem Schlag all unsere Probleme gelöst, denn wenn die Information über seine Abhängigkeit zur Presse durchsickerte – und ich nahm an, dass dies früher oder später der Fall sein würde –, wäre er raus aus dem Rennen um das Weiße Haus. Dann stellte er keine Gefahr mehr für irgendjemanden dar und würde auch keine Rede an der John-Lennon-Gedenkstätte im Central Park halten. Dadurch geriete er aus der Schusslinie des Attentäters. Ich würde sein Leben retten.
    Und es ruinieren. Daniel blieb zwar am Leben, aber besaß er dann überhaupt noch eine Perspektive? Außerdem gab es noch etwas anderes, was mich zögern ließ, es J zu erzählen. Ich glaubte inzwischen daran, dass dieses Land Joe Daniel zumindest als politische Alternative brauchte. Ich starrte das Telefon noch einen Augenblick lang an und wählte

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