Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
die Jagd begonnen hatte. Wenn jeder mit dem Spiel beschäftigt war, wollte ich hierher zurückkommen, Bennys Wache grün und blau schlagen und meine Freundin befreien. Bennys Gefängnis hatte mehrere Fenster und lag auf der Nordseite des Hauses, und bestimmt besaß auch das Nebenzimmer ein Fenster. Ich schlich die Treppe hinunter und kehrte so unauffällig auf die Party zurück, wie ich sie verlassen hatte. Der Unterschied zwischen vorhin und jetzt war die Wut, die sich langsam in meinen Eingeweiden aufstaute.
Ich täuschte ein Lächeln vor und gesellte mich wieder zu Tallmadge, rührte jedoch keines der Getränke an. Die Gäste waren bereits ordentlich angeheitert, und wenn mich einer der Vampire begrüßte, blickte ich in glasige Augen mit verkleinerten Pupillen. Die Band hörte um Punkt zehn Uhr zu spielen auf. Die Musiker legten ihre Instrumente ab und gingen in Richtung Küche. Sobald sie verschwunden waren, trat die Gräfin ans Mikrofon.
Sie hatte eine rauhe, nach Zigaretten und Whiskey klingende Stimme, und auch wenn man ihr ein gewisses Alter ansah, war sie schön, mit elfenbeinfarbener Haut und Wangen wie Rosenblätter. Sie lächelte und sagte: »Ich möchte euch alle herzlich zu diesem besonderen Anlass begrüßen: einer Jagd zum Jubiläum unseres Clubs.«
Die Mitglieder klatschten höflich.
»Einige von euch haben bereits an einer Jagd teilgenommen, aber ich habe sowohl für die Jäger als auch für die Beute neue Herausforderungen arrangiert. Zum ersten Mal wird die Jagd in einem Irrgarten stattfinden, der acht Hektar groß ist und über sechseinhalb Kilometer raffiniert angeordnete Wege besitzt. Ihr könnt natürlich gern darüber fliegen, wenn ihr es wünscht, aber seid gewarnt: Es gibt viele Bereiche, die aus der Luft nicht einzusehen sind. Ein Teil des Irrgartens besteht aus einem Tunnel, aber ich erzähle euch nicht, was euch darin erwartet! Ihr werdet viel mehr Spaß haben, wenn ihr es selbst herausfindet.
Fliegen ist also erlaubt, aber ich gehe davon aus, dass die meisten lieber auf dem Boden bleiben. Da unsere letzte Jagd schon einige Jahre her ist und wir neue Mitglieder haben, erkläre ich noch einmal die Spielregeln.«
Sie faltete ein Blatt Papier auseinander und begann zu lesen:
»Erstens: Jedes Mitglied darf nicht mehr als ein Beutestück erlegen. Wir haben genug für jeden, also werdet nicht gierig!
Zweitens: Ihr dürft eure Beute dort benutzen, wo ihr sie erlegt habt, aber für mehr Bequemlichkeit sorgen die Lauben, die im Irrgarten angelegt sind. Sie sind im Gegensatz zu den Wegen beheizt, deswegen ziehen es viele Mitglieder vor, ihre Trophäen dort hinzubringen.
Drittens: Was im Irrgarten geschieht, bleibt auch dort. Mit anderen Worten: Macht, was ihr wollt, aber schweigt darüber, genauso so, wie ihr mit den Aktivitäten im Club verfahrt.
Viertens: Hinter dem Pool gibt es eine Verwandlungsstation mit Spinden für eure Kleidung und Schuhe. Der Eingang in den Irrgarten befindet sich direkt gegenüber der Station. Ihr dürft den Irrgarten betreten und das Spiel beginnen, sobald ihr euch verwandelt habt. Ihr dürft das Spiel verlassen und zur Verwandlungsstation zurückkehren, wann immer ihr wollt.
So weit, so gut. Gibt es irgendwelche Fragen?«
Ich hob meine Hand. »Wie viel Zeit ist für die Verfolgung veranschlagt? Ist das Spiel zu Ende, wenn uns die Beute entwischt?«
Zuerst herrschte Schweigen, doch dann ertönte zunehmend Gekicher in der Menge. Ich fragte mich, was daran so lustig sein sollte. Die Gräfin sah mich spöttisch an. »Meine Liebe«, sagte sie, »die Jagd ist dann vorbei, wenn jeder seine Beute gefunden hat. Die Beute geht nicht einfach. Natürlich kannst du deine Trophäe mit nach Hause nehmen, wenn du willst. Du kannst deinen Gefangenen auch freilassen, wenn du einen besonders guten Fluchtversuch belohnen willst. Aber die meisten von uns ziehen es vor … nun ja, nennen wir es aufzuräumen, nachdem die Party vorbei ist.«
»Oh, ich dachte … Ich meine … Die Beute glaubt doch, dies sei bloß ein Spiel, oder?«, fragte ich.
»Es ist ein Spiel. Sie können entkommen, wenn sie geschickt genug sind. Doch üblicherweise gewinnen wir.« Mit diesen Worten verzog die Gräfin das Gesicht zu einem furchtbaren Lächeln. »Nun gut, es wird Zeit! Gehen wir!«
Im Publikum brach Jubel aus. Die Flügeltüren, die vom Ballsaal in den Poolbereich führten, wurden geöffnet, und die ganze Gesellschaft strömte nach draußen. Wir drängten uns in das Zelt, das als
Weitere Kostenlose Bücher