Rendezvous Mit Dem Universum
die frische Kraft, die wir spüren. Für die Enzyme ist das voller Arbeitseinsatz. Natürlich bestehen auch Enzyme aus Bausteinen, und zwar aus Molekülen, zu denen sich ihrerseits ein paar Atome zusammengefunden haben. Und dass ein Atom ähnlich aufgebaut ist wie ein Sonnensystem, hatten wir bereits.
Selbst der Atomkern besteht aus Bausteinen, die sinnigerweise Quarks genannt werden. Irgendwann werden wir erkennen, woraus Quarks bestehen. Trotzdem werden wir der Frage nach Grund und Ursprung des Lebens höchstens graduell nähergekommen sein.
Die Kraft, die dafür sorgt, dass sich 10 Billionen Zellen unter einem Dach zusammenfinden, das dann Otto genannt wird, haben wir genauso wenig entdeckt wie die Kraft, die eine ähnlich beachtliche Menge Moleküle dazu bringt, sich wie eine Zelle zu verhalten. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass es die gleiche Kraft ist. Und wer sagt den Quarks, wie man eine Bande bildet, einen Haufen Elektronen um sich schart und sich hinterher Kohlenstoffatom nennen darf? Ist es der gleiche Befehl, der die Sonnen zusammenhält, damit sie Galaxien bilden?
Obwohl aber das Verhaltensmuster ähnlich ist vom Kleinsten bis zum Größten, nennen wir nur das lebendig, was sich halbwegs in der unseren Sinnen vertrauten Größenordnung bewegt. Das zu Große und das zu Kleine werden als unbeseelt betrachtet.
Wie aber kann ein Atom tot sein, wenn mehrere Atome zusammen lebendig sind? Wenn das Leben nicht schon in den Atomen ist, drängt sich doch
die Frage auf, wann, wie und aus welchem Grunde es plötzlich auftaucht.
Es gibt einen relativ einfachen Versuch. In einem Glasballon werden einfache Gase, die überall im Weltall vorhanden sind - zum Beispiel Wasserstoff, Sauerstoff, Ammoniak und Methan -, ultraviolettem Licht ausgesetzt oder mit Zündfunken gereizt. Sehr schnell tönt sich das anfangs transparente Gemisch, und es setzt sich mehr und mehr teerähnliche Substanz ab, die reich an organischen Substanzen ist und schon die Bausteine für Proteine und Nukleinsäuren vorweist. Wie kam das Leben in den Kolben, wenn nicht mit den Gasen?
Und wie kommt das Leben in den Menschen, wenn nicht mit Luft,Wasser und Nahrung? Wir nennen tot, was wir zu uns nehmen, und tot, was wir ausscheiden - nur dazwischen nennen wir es lebendig. Es ist doch absurd, dass ein Kohlenstoffatom eine Ewigkeit tot sein soll, in uns kurz zum Leben erwacht, um danach eine weitere Ewigkeit tot zu sein. Das Kohlenstoffatom verhält sich die ganze Zeit wie ein Kohlenstoffatom - und wenn Sie glauben, dass das gar nichts ist, dann irren Sie. Es ist eine beachtliche Leistung, durchaus vergleichbar mit der, ein Mensch zu sein. Vergleichbar insofern, als beide das ihre tun und keiner es sich ausgesucht hat. Schließlich ist es
nicht unsere Leistung, wenn wir ein starkes Herz und gute Augen haben. Und wahrscheinlich gibt es auch unter den Kohlenstoffatomen starke und schwache, dumme und schlaue, Leithammel und Mitläufer.Wir können überhaupt nicht beurteilen, ob ein Atomkern mit seiner Elektronenwolke genauso viel Stress hat wie eine Mutter mit ihren Blagen. Wir ziehen eine Grenze, weil wir zu dumm sind, darüber hinauszuschauen.
Alles ist sich ähnlich, alles ist in Kreisen und alles ist Eins. Schon ein Wasserstoffatom ist eine Erscheinungsform des Lebens - und zwar unseres Lebens. Auch wenn wir kaum eine Vorstellung vom Leben eines Wasserstoffatoms haben, eins wissen wir genau: Unsere Existenz basiert auf der seinen. Tatsächlich sind wir eine erstaunliche Menge dieser Atome und noch ein paar anderer mehr.
Es scheint die Lieblingsbeschäftigung des Lebens zu sein, aus immer komplexeren Bausteinen immer komplexere Organismen wachsen zu lassen. Und wenn es schon unwahrscheinlich ist, dass das Leben selbst erst in der fünften oder achten Station zusteigt, so ist es erst recht auszuschließen, dass es später wieder abspringt. Auch noch komplexere Organismen als der Mensch sind lebendig. Aber wir müssen sie erstmal als Organismen
erkennen oder besser gesagt wiedererkennen. Andere Kulturen haben es nicht vergessen, aber wir müssen es noch einmal lernen: Die Erde lebt. Wir laufen auf einem quietschlebendigen Organismus herum.
Das ist für einen Mitteleuropäer an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend eine so ungewohnte Vorstellung, dass die meisten von uns das als albernen Quatsch abtun, bevor sie überhaupt darüber nachzudenken bereit sind. Dabei ist es viel größerer Quatsch, sich den Planeten leblos vorzustellen, wo das
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