Rendezvous Mit Dem Universum
Leben doch aus allen seinen Ritzen sprudelt. Allein unsere Existenz ist doch schon ein einleuchtender Hinweis auf die Lebendigkeit zumindest unseres Planeten. Wie kann etwas Totes derart lebendige Geschöpfe hervorbringen?
Aber jetzt, wo wir verstanden haben, dass komplexe Organismen immer zusammengesetzte Organismen sind, können wir vielleicht das wundervolle Wesen Erde klarer sehen. In der Hierarchie des Lebens steht Mutter Erde so weit über uns, wie wir über unseren weißen Blutkörperchen stehen. Und wenn wir sehen, dass die Blutkörperchen gut für uns sind, sollten wir davon ausgehen, dass wir ebenfalls eine Funktion in diesem größeren Organismus haben, wie wahrscheinlich jede andere Art
auch. Wenn im Körper des Menschen zahlreiche Miniorganismen absterben, weil andere sich über die Maßen ausbreiten, nennen wir das Krankheit. Vielleicht sind wir für die Erde eine Krankheit. Viren sind auch nur deshalb so gefährlich, weil sie die meisten Zellen überlisten können. Sie sind sozusagen schlauer, was wir ja für uns auch gerne in Anspruch nehmen. Und rücksichtslos sind Viren auch - es stört sie nicht, dass sie den Körper vernichten, in dem sie leben. Es reicht ihnen, dass immer ein paar übrigbleiben und ein neues Opfer finden. Wir Menschen spähen doch ebenso in den Weltraum, um neue Opfer zu finden, wenn wir unseren Heimatplaneten erstmal fertiggemacht und unsere Lebensgrundlage zerstört haben. Sinnigerweise, um damit das lästige Thema Krankheit abzuschließen, ist einer der Hauptgründe für das schädliche Verhalten des modernen Menschen genau darin zu suchen, dass er vergessen hat, dass er Teil eines lebendigen Organismus ist.
Beschäftigen wir uns noch ein wenig mit dem wiedergefundenen Bild der Erde, damit wir es nicht so schnell noch einmal vergessen. Es war allerdings früher einfacher zu begreifen, als die Erde noch fast überall ihren schönen Pelz hatte. Natürlich ist Großstadtpflaster nicht so lebendig
wie Wiesen und Wälder. Aber wenn wir es nicht ständig sauberhalten, wächst relativ schnell Gras darüber, und in ein paar tausend Jahren ist es nur noch eine auffällige Schicht bei eventuellen Ausgrabungen. Ein paar tausend Jahre sind gar nichts - für die Erde.
Und der nackte Felsen, der blanke Stein, aus dem ja das Großstadtpflaster gemacht ist - wo zeigt der sein Leben? Ein Stein ist so ziemlich das Toteste in der Vorstellung unserer Zeitgenossen, und leider ist das auch eine weitverbreitete Vorstellung von der Erde - ein großer Stein. Weit gefehlt: Der Felsen ist allenfalls die Haut der Erde, und da drunter sieht es völlig anders aus, genau wie bei Ihnen. Genau wie bei Ihnen geht es auch erst unter der Haut richtig ab. Und genau wie bei Ihnen hat die Haut vor allem die Aufgabe, das Innere zu schützen und zu halten. Wenn Sie sich ein Stückchen Haut oder gar Fingernagel abschneiden und es dann unter der Lupe betrachten - sehen Sie dann, wie lebendig Sie sind?
Die Idee vom toten Stein beruht gewiss auf seiner Bewegungslosigkeit. Aber bewegungslos ist er nur für unsere Wahrnehmung. Sowohl im kleineren als auch im größeren als dem gewohnten Maßstab bewegt er sich. Im kleineren genau wie
wir. Glauben Sie nicht, dass die Elektronen im Stein ruhig in der Ecke liegen! Genau wie bei uns ist seine Form das Resultat einer unbekannten Kraft, die ein unvorstellbares Gewusel in einen bestimmten Rahmen zwingt.
Um den gewohnten Maßstab nach oben zu sprengen, müssten wir einfach ein paar hunderttausend Jahre vor ihm liegenbleiben. Dann würden wir sehen, wie er sich bewegt, der Stein, der Felsen, der Berg oder der Kontinent. Und es ist nicht so, dass andere Kräfte die starre Masse Stein hin und her schieben, nein, der Stein bewegt sich in sich, jeder Stein und jederzeit. Jetzt gerade, genau vor Ihrer Tür, aber Sie haben ja keine hunderttausend Jahre Zeit, um es sich anzuschauen. Im Prinzip sind seine Bewegungen wie die des Wassers, nur dass er vielleicht eine Million Jahre braucht, wo das Wasser einmal Schwapp macht. Aber was sind eine Million Jahre für ein Wesen, für das die gesamte Geschichte der Menschheit kaum mehr als eine Blähung ist. Fest steht, dass kein Stein auf dem gleichen bleibt, wenn man über längere Zeiträume beobachtet. Auch die Zellen Ihrer Haut erneuern sich ständig, und gerade da zeigt sich das Leben der Haut.
Dass unsere Haut durchblutet ist, verdanken wir dem Leben in uns. Dass der Berg ganz ähnlich
von Wasseradern durchzogen ist, hat für die
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