Rendezvous mit einem Mörder
die Menschen – vor allem die Frauen – in seiner Umgebung sich stets beeilten, um zu ihm zu kommen, und so ließ sie den langen, geborgten Mantel um ihre kalten Beine flattern, während sie mit großen, doch langsamen Schritten in seine Richtung schlenderte.
»Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten«, sagte sie, als sie ihn schließlich erreicht hatte, zog ihre Dienstmarke hervor und beobachtete, wie er einen flüchtigen Blick darauf warf, ehe er ihr wieder ins Gesicht sah. »Ich untersuche den Mord an Sharon DeBlass.«
»Besuchen Sie immer die Beerdigungen der Opfer der Morde, die Sie untersuchen, Lieutenant Dallas?«
Über seiner wohlklingenden Stimme lag ein Hauch des Zaubers seiner irischen Heimat, wie eine Haube cremig weißer Sahne auf einem Glas mit warmem Whiskey.
»Besuchen Sie immer die Beerdigungen von Frauen, die Sie kaum gekannt haben?«
»Ich bin ein Freund der Familie«, erwiderte er schlicht. »Sie frieren, Lieutenant.«
Sie schob ihre eiskalten Finger in die Tasche ihres Mantels. »Wie gut kennen Sie die Familie des Opfers?«
»Gut genug.« Er legte seinen Kopf auf die Seite und betrachtete sie. Noch eine Minute, und ihre Zähne würden anfangen zu klappern. Der widerlich beißende Wind blies ihr die schlecht geschnittenen Haare um ein äußerst interessantes Gesicht. Intelligent, starrsinnig und sexy. Drei sehr gute Gründe, um sich eine Frau genauer anzusehen. »Wäre es nicht vielleicht angenehmer, irgendwo zu reden, wo es wärmer ist?«
»Ich konnte Sie nirgendwo erreichen.«
»Ich war unterwegs, aber jetzt haben Sie mich ja erreicht. Ich nehme an, Sie müssen zurück nach New York? Heute?«
»Ja. Ich habe noch ein paar Minuten, bis ich zu meinem Flieger muss. Also… «
»Fliegen wir besser gemeinsam. Dann haben Sie genug Zeit, um mich auseinander zu nehmen.«
»Um Sie zu befragen«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, wütend, weil er sich einfach von ihr abwandte und losging, sodass sie ihm nachlaufen musste. »Ein paar kurze Antworten jetzt, Roarke, und dann können wir eine ausführlichere Befragung in New York durchführen.«
»Ich hasse es, Zeit zu vergeuden«, erklärte er in leichtem Ton. »Und ich habe den Eindruck, als ginge es Ihnen nicht anders. Haben Sie einen Wagen gemietet?«
»Ja.«
»Ich werde seine Rückgabe veranlassen.« Er streckte seine Hand aus, damit sie ihm die Schlüsselkarte überreichte.
»Das ist nicht erforderlich.«
»Es ist einfacher. Ich mag es nicht, wenn man die Dinge unnötig verkompliziert, Lieutnant. Sie und ich wollen ungefähr zur selben Zeit ans selbe Ziel. Sie wollen mich befragen, und ich bin willens, Ihnen zu antworten.« Neben einer schwarzen Limousine, deren Hintertür von einem uniformierten Fahrer aufgehalten wurde, blieb er stehen und sah sie an. »Ich fliege nachher nach New York. Natürlich können Sie mir zum Flugplatz folgen, von dort aus ein öffentliches Flugzeug nehmen und in meinem Büro anrufen, um einen Termin zu vereinbaren. Oder aber Sie fahren jetzt mit mir und genießen anschließend die Ungestörtheit meines Jets und meine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
Sie zögerte nicht lange, ehe sie die Schlüsselkarte des Mietwagens aus ihrer Manteltasche zog, in seine Hand fallen ließ, unter seinem Lächeln in die Limousine stieg und es sich, während er seinen Fahrer anwies, ihren Wagen zu der Verleihfirma zurückzubringen, in den dicken Polstern bequem machte.
»Nun denn.« Roarke glitt neben sie und griff nach einer Karaffe. »Hätten Sie gegen die Kälte vielleicht gerne einen Brandy?«
»Nein.« Sie spürte, wie sich die Wärme des Wagens von ihren Füßen her in ihrem Körper auszubreiten begann und fürchtete, als Reaktion würde sie anfangen zu zittern.
»Ah, verstehe. Schließlich sind Sie im Dienst. Dann vielleicht Kaffee.«
»Sehr gern.«
Als er den in das Seitenpaneel eingelassenen AutoChef auf zwei Kaffee programmierte, blitzte an seinem Handgelenk eine teure goldene Uhr.
»Sahne?«
»Schwarz.«
»Eine Frau nach meinem Herzen.« Sekunden später öffnete er die Schutztür und reichte ihr eine Porzellantasse auf einer zerbrechlich wirkenden Untertasse. »Im Flugzeug ist die Auswahl etwas größer«, sagte er und lehnte sich mit seinem eigenen Kaffee behaglich in die Polster.
»Darauf hätte ich gewettet.« Aus ihrer Tasse stieg ein verführerischer Duft, sie nippte vorsichtig an dem dampfend heißen Gebräu und hätte um ein Haar geseufzt.
Es war tatsächlich echter Kaffee.
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