Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous mit einem Mörder

Rendezvous mit einem Mörder

Titel: Rendezvous mit einem Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.D. Robb
Vom Netzwerk:
doch Eve erkannte die Aura des Einzelgängers, die ihn untrüglich umgab. Es hätten auch zehntausend Menschen in dem Gebäude versammelt sein können, und trotzdem hätte er sich sichtbar von ihnen distanziert.
    Sein attraktives Gesicht war völlig unbewegt. Es verriet weder Schuld noch Trauer noch auch nur Interesse. Ebenso gut hätte er sich ein eher schlechtes Theaterstück ansehen können. Und eine bessere Beschreibung hätte Eve für eine Beerdigung tatsächlich nicht gehabt.
    Mehr als ein Kopf drehte sich in seine Richtung, um ihn verhohlen zu studieren oder um wie eine wohl geformte Brünette aus der fünften Reihe wenig subtil mit ihm zu flirten. Roarke reagierte beide Male gleich: Er achtete ganz einfach nicht darauf.
    Auf den ersten Blick wirkte er kalt. Kalt wie jemand, der sich gegen alles und jeden abschirmte. Doch irgendwo in diesem Menschen musste zugleich ein Feuer lodern. Man brauchte mehr als Intelligenz und Disziplin, um es so jung so weit zu bringen. Man brauchte ganz sicher Ehrgeiz, und Eve war der Überzeugung, dass Ehrgeiz eine heiße Flamme war.
    Er schaute reglos geradeaus, doch dann wandte er ohne Vorwarnung den Kopf, blickte auf die andere Seite des Ganges fünf Reihen hinter sich und sah Eve direkt in die Augen.
    Angesichts des Blickes, der sie traf wie ein Fausthieb in den Magen, wäre sie vor lauter Überraschung beinahe zusammengefahren. Nur unter Aufbietung ihrer gesamten Willenskraft gelang es ihr, weder zu blinzeln noch ihre Augen woandershin zu lenken. Während einer flirrenden Minute starrten sie einander an. Dann jedoch setzten sich die Menschen in Bewegung, und die ins Freie drängenden Trauergäste versperrten ihr die Sicht.
    Als Eve in den Gang trat und sich nach ihm umsah, war er bereits fort.
    Sie reihte sich mit ihrem Wagen in den Strom der Limousinen, der sich unter dem in gemessenem Tempo schwebenden Leichenflieger und den Flugzeugen der Familie in Richtung Friedhof wälzte. Nur die ganz Reichen konnten sich eine Friedhofbestattung leisten, und nur die von der Tradition Besessenen begruben tatsächlich noch ihre Toten in der Erde.
    Eve runzelte die Stirn und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad ihres Wagens, während sie ihre bisherigen Beobachtungen aufnahm. Als sie zu Roarke kam, vertiefte sich ihr Stirnrunzeln, und sie zögerte kurz.
    »Weshalb sollte er sich die Mühe machen und die Beerdigung einer derart flüchtigen Bekannten besuchen?« murmelte sie in den in ihrer Tasche steckenden Rekorder. »Den vorliegenden Daten zufolge hatten sich die beiden gerade erst kennen gelernt und hatten nur eine einzige Verabredung. Sein Verhalten erscheint demnach widersprüchlich und fragwürdig.«
    Sie erschauderte und war froh, dass sie allein war, als sie durch das geschwungene Tor des Friedhofs fuhr. Ihrer Meinung nach sollte es gesetzlich verboten werden, jemanden, selbst einen Toten, in ein kaltes, dunkles Loch zu stecken.
    Wieder wurden feierliche Worte gesprochen, wieder brachen die Menschen in Tränen aus, wieder war der Sarg unter den Blumen beinahe nicht zu sehen. Es herrschte strahlender Sonnenschein, doch die Luft war schneidend wie die Stimme eines quengeligen Kindes, und so schob sie, da sie wieder einmal ihre Handschuhe vergessen hatte, die Hände in die Taschen des langen, dunklen Mantels, den sie sich geborgt hatte. Der darunter versteckte einzige graue Anzug, den sie je besessen hatte, hatte einen losen Knopf, der sie anzuflehen schien, ihn endlich abzureißen, und ihre Zehen fühlten sich in ihren dünnen Lederstiefeln an wie kleine Eiswürfel.
    Doch das körperliche Unbehagen lenkte sie zumindest von dem durch die sie umgebenden Grabsteine zum Ausdruck gebrachten Elend und dem Geruch nach kalter, frischer Erde ab, während sie wartete, bis die letzten trübsinnigen Worte über das ewige Leben endlich irgendwann verklangen und sie sich dem Senator nähern konnte, ohne allzu aufdringlich zu wirken.
    »Ich möchte Ihnen und Ihrer Familie mein Beileid aussprechen, Senator DeBlass.«
    Seine scharfen, schwarzen Augen wirkten so hart wie die abgehackte Kante eines Steins. »Sparen Sie sich Ihr Mitleid, Lieutenant. Ich will Gerechtigkeit.«
    »Die will ich genauso. Mrs. DeBlass.« Eve reichte der Gattin des Senators die Hand und merkte, wie ihre Finger ein Bündel trockener Zweige zu fassen bekamen.
    »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Eve nickte wortlos mit dem Kopf. Ein kurzer Blick hatte genügt, um ihr zu zeigen, dass Anna DeBlass eindeutig unter dem Einfluss

Weitere Kostenlose Bücher