Rendezvous mit einem Mörder
die geringsten Informationen zuteil werden zu lassen. Selbst wenn sie nicht die Tochter meiner Freundin und obendrein ein Profi gewesen wäre, hätte sie mich nicht gereizt. Ich bevorzuge ganz einfach eine andere Art von Frau.« Er bedachte Eve mit einem beinahe grüblerischen Blick. »Oder zumindest habe ich das bis vor kurzem noch gedacht. Ich weiß wirklich nicht, weshalb ich so plötzlich eine Vorliebe für den leidenschaftlichen, getriebenen und gleichzeitig fürchterlich komplizierten Typ habe.«
Sie schenkte sich Kaffee nach und musterte ihn über den Rand ihrer Tasse. »Das ist nicht gerade schmeichelhaft.«
»Das sollte es auch nicht sein. Obgleich Sie für jemanden, der offenbar einen äußerst kurzsichtigen Frisör hat und der sich sämtlichen gängigen Verschönerungsmöglichkeiten zu verschließen scheint, überraschend angenehm anzusehen sind.«
»Ich habe keinen Frisör, und ich habe auch keine Zeit für irgendwelche Verschönerungsmaßnahmen.« Ebenso wenig wie sie Lust darauf verspürte, auch nur darüber zu reden. »Fahren wir also lieber mit unseren Überlegungen fort. Falls Sharon DeBlass von einem ihrer Erpressungsopfer umgebracht wurde, welche Rolle spielte dann Lola Starr?«
»Das ist wirklich ein Problem, nicht wahr?« Roarke paffte nachdenklich an seiner Zigarette. »Außer dem Beruf scheint es zwischen den beiden keinerlei Gemeinsamkeiten zu geben. Es ist zu bezweifeln, dass sie einander kannten oder von denselben Kunden besucht wurden. Aber einen gab es, der, wenn vielleicht auch nur kurz, sie beide kannte.«
»Einen, der sie beide gewählt hat.«
Roarke zog eine seiner Brauen in die Höhe und nickte mit dem Kopf. »Sie drücken es besser aus als ich.«
»Was haben Sie damit gemeint, als Sie sagten, ich wüsste nicht, worauf ich mich mit dieser Sache einlasse?«
Er zögerte kurz, dass sie es beinahe nicht bemerkt hätte. »Mir ist nicht klar, ob Sie wirklich verstehen, über welche Macht DeBlass verfügt. Die skandalöse Ermordung seiner Enkeltochter könnte seine Position sogar noch stärken. Er will die Präsidentschaft, und er will die Moral nicht nur hier in unserem Land, sondern möglichst überall bestimmen.«
»Wollen Sie damit sagen, er könnte Sharons Tod politisch ausschlachten? Wie sollte er das tun?«
Roarke drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Er könnte seine Enkelin als Opfer einer Gesellschaft skizzieren, in der gewerblicher Sex eine Mordwaffe sein kann. Wie kann eine Welt, die Prostitution, umfängliche Empfängnisverhütung, Geburtenkontrolle und so weiter nicht verbietet, schuldlos sein an den verheerenden Auswirkungen eines derart liderlichen Treibens?«
Eve verstand die Argumente, doch sie schüttelte den Kopf. »Außerdem will DeBlass das Waffenverbot aufheben lassen. Dabei wurde seine Enkeltochter mit einer Waffe erschossen, die nach dem aktuellen Gesetz gar nicht erst erhältlich sein dürfte.«
»Was das Ganze noch viel heimtückischer macht. Denn wäre sie schließlich nicht in der Lage gewesen, sich zu verteidigen, wenn sie ebenfalls eine Waffe gehabt hätte?« Als Eve ihm widersprechen wollte, schüttelte er abwehrend den Kopf. »Es ist völlig egal, welche Antwort man auf diese Frage gibt. Es geht hier einzig um die Frage, ob wir die Gründer und die grundlegenden Dogmen ihres Entwurfs für eine Verfassung unseres Landes vollkommen vergessen dürfen. Wie zum Beispiel das Recht eines jeden Menschen, Waffen zu tragen. Infolge der Beschneidung dieses Rechts wurde eine Frau in ihrem eigenen Heim, ihrem eigenen Bett ermordet. Ein Opfer der sexuellen Freiheit, ihrer gesetzlich erzwungenen Wehrlosigkeit und vor allem, ja, vor allem ein Opfer des moralischen Verfalls.«
Er schlenderte in Richtung der Konsole und schaltete den Schießstand aus. »Oh, sicher werden Sie mir jetzt entgegenhalten, dass Mord mit Schusswaffen eher die Regel war als die Ausnahme, als jeder, der den Wunsch und das nötige Kleingeld hatte, sich eine kaufen konnte. Aber über dieses Argument wird er einfach achtlos hinweggehen. Die Konservative Partei gewinnt beständig an Boden, und er ist ihr Vorkämpfer.«
Er beobachtete, wie sie sich stirnrunzelnd eine dritte Tasse Kaffee einschenkte. »Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass er vielleicht gar nicht möchte, dass der Mörder je gefasst wird?«
Sie hob überrascht den Kopf. »Weshalb sollte er das nicht wollen? Abgesehen von dem persönlichen Wunsch nach der Bestrafung des Täters würde ihm seine Ergreifung
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