Rendezvous mit Mr Darcy
ihres Missgeschicks bei dem Wettbewerb im Bogenschießen zur Strafe ohnehin den ersten Tanz auslassen musste. Sie zog sich in eine Nische zurück und bückte sich, um das Schuhband zu reparieren, während die Kamera sie dabei filmte. Oder filmte die Kamera etwa ihren Ausschnitt? Fertig. Sie hatte das Schuhband repariert. Sie richtete sich auf und schenkte der Kamera ein falsches Lächeln. Aber sie wusste auch, ohne Anstandsdame konnte sie den Ballsaal nicht betreten.
Die Diener standen da wie Soldaten, die den Torbogen bewachten. Die Kameramänner filmten, wie sie sich auf die Unterlippe biss. Eine Schar von Ballbesuchern zog an ihr vorbei. Wer waren bloß all diese Leute? Einwohner der Stadt? Schauspieler?
Verlegen stand sie da und tat so, als suchte sie etwas in ihrem Pompadour, als ihr ein Hauch von Knoblauch in die Nase stieg. Es war die Köchin, die ein hoch geschlossenes grünes Seidenkleid und weiße Handschuhe trug. Ein Haarband mit Pfauenfedern hielt ihr silbernes Haar zurück. Ihre blauen Augen funkelten. »Was macht die Schönheit des Balls hier draußen?« Sie streckte ihr den Arm entgegen.
Chloe ergriff ihn erleichtert. »Das möchten Sie nicht wissen. Ich freue mich sehr, Sie hier zu sehen. Sie sehen – umwerfend aus.«
»Dürfte ich Ihre Anstandsdame für heute Abend sein?«
Chloe strahlte. Gemeinsam schritten sie zum Vorzimmer.
»Ich gehöre zumindest für eine kurze Zeit heute Abend zur aristokratischen Hautevolee, wissen Sie. Zur feinen Gesellschaft. Gesellschaft mit ganz großem G.«
»Ich weiß, was der Ausdruck Hautevolee bedeutet«, sagte Chloe. »Und was mich betrifft, erfüllen Sie die Voraussetzungen mehr als vollkommen.«
Die Köchin tätschelte Chloes Hand mit ihrem Fächer und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »George hat sämtliche Mitwirkenden von Bridesbridge als Gesellschaft für den Ball eingekleidet. Es ist wunderbar, aber irgendwie auch schade. Die Show ist fast vorbei.«
»Die Show?« Es überraschte Chloe immer wieder, wenn die Köchin aus ihrer Rolle fiel, was sie bei Mrs Crescent nie erlebte. Andererseits war es aber auch möglich, dass man sie nur einem weiteren Test unterzog.
»Die Reality-Show. Die kleine Scharade.«
Chloe lächelte nur.
Beide, Henry und Sebastian, wandten sich ihnen zu. Henry strich sich das Haar aus dem Auge, während Sebastian seine Halsbinde zurechtrückte.
Beide Männer lächelten sie an. Es hatte als Show begonnen. Als eine Möglichkeit, an Geld zu kommen. Aber was war es jetzt? Chloes Herz war im Spiel, und das fühlte sich jetzt so zerbrechlich an wie eine Teetasse von Wedgwood aus der Zeit des Regency. Zuerst verbeugte sich Henry, dann Sebastian. Sebastian geleitete die Köchin in das Vorzimmer und schien Chloe zu ignorieren. Aber warum tat er das bloß? Hatte ihr Blick zu lange auf Henry verweilt, als dieser sich verbeugte?
»Ich bin so froh, dass Sie dabei sind, Miss Parker.« Henry bot ihr seinen Arm an. »Bevor ich Sie zum Ball geleite, möchte ich Ihnen die Bibliothek von Dartworth zeigen – nur eine Minute? Sie ist gleich dort. Bei all den Menschen um uns herum brauchen Sie keine Anstandsdame.«
Chloe zögerte. »Ich möchte das Menuett nicht verpassen, auch wenn ich den Tanz auslassen muss.«
»Das werden Sie auch nicht. Ich verspreche es Ihnen.«
So sehr sie sich auch auf den Ball freute, könnte dies auch ihre letzte Chance darstellen, die Bibliothek von Dartworth zu sehen. Sie blieb stehen. »Das ist aber keine Umschreibung dafür, mir Ihre Briefmarkensammlung zu zeigen, oder?«
»Vielleicht doch.«
»Oder ist das hier eine Art Test? Nur damit Sie es wissen, ich werde nichts tun, was meine Beziehung zu Ihrem Bruder gefährden könnte. Sie sollten wissen, wem meine Gefühle gelten.«
»Das tue ich.«
Als Chloe die Bibliothek betrat, verschlug es ihr den Atem. Hunderte von brennenden Kerzen waren sorgfältig im Raum verteilt worden. Die ledergebundenen Bücher mit den in Silber und Gold geprägten Titeln auf den Rücken glänzten im Kerzenschein, und überall standen winzige Vasen mit Blumen aus dem alten Schnittblumengarten von Dartworth. Der Duft von Rittersporn, Löwenmäulchen, Kornblumen, Lilien und Fingerhüten erfüllte die Luft, und die Blüten schienen ihre Farben auf die dunkle Holzvertäfelung abzugeben.
»Das ist – das ist erstaunlich. Steckt Sebastian dahinter?«
»Nein, ich.«
»Sie?«
Henry nickte. »Ich habe es für Sie getan. Und das hier ist auch für Sie. Ich werde sie Ihnen durch einen
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