Rendezvous mit Mr Darcy
ihre blonden Locken wippten, als sie sich der Länge nach auf ein Sofa fallen ließ. Ihr Blick wanderte zuerst zu Chloe und dann zu Mrs Crescent. »Muss ich mich wirklich bewegen?« Von der Kamera abgewandt, fügte sie hinzu: »Wie schade, dass wir hier nicht twittern können. Ich bin mir sicher, meine Familie vermisst mich.«
Chloe fragte sich, warum Grace sich überhaupt beworben hatte. »Ist Ihnen eine Schriftstellerin namens Jane Austen bekannt, Lady Grace? Sie schrieb Sinn und Sinnlichkeit .«
»Das weiß ich. Ich verehre Jane Austen zutiefst.«
Chloe beugte sich vor, um zu flüstern, denn sie wusste, dass Sinn und Sinnlichkeit 1812 der einzige veröffentlichte Roman von Jane Austen gewesen war. »Ich bin neugierig. Was mögen Sie von ihr am liebsten?«
» Stolz und Vorurteil «, flüsterte Grace zurück. »Der Film mit Keira Knightley.«
Chloe zuckte zusammen. Das war nicht ihre Lieblingsverfilmung, unter anderem, weil sie historisch nicht korrekt war. »Ich meinte, welches Buch?«
»Oh, ich liebe alles von Jane Austen, doch ein Buch von ihr habe ich noch nie gelesen.«
Chloe sah sie entsetzt an. Das erklärte alles.
Julia wirbelte herein, ihre Anstandsdame hinter ihr.
Grace hob ihr Kinn. »Wirklich, Miss Parker, ich kann diese amerikanische Versessenheit auf alles Britische nicht verstehen. Jane Austen gehört uns.« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Genauso wie die Beatles. James Bond. Und Mr Wrightman. Hände weg !«
Chloe saß neben Grace. »Ich gebe gerne zu, dass ich stolz darauf bin, alles Englische zu lieben, aber mit einer Einstellung wie Ihrer ist es kein Wunder, dass es zur Amerikanischen Revolution kam. Die wir gewannen. Ist es Ihnen möglich, einmal ›Boston Tea Party‹ auszusprechen?«
»Schultern zurück.« Mrs Crescent bohrte Chloe ihren Finger zwischen die Schulterblätter.
Grace nickte zustimmend. »Im Gegensatz zu Ihrem wilden Amerika geht es hier um Besitz und Manieren, Miss Parker.«
»Ich bitte Sie. Hier geht es nicht um Manieren, sondern um einen Mann«, entgegnete ihr Chloe.
»Oder vielleicht um das Geld?«, flüsterte Grace hinter ihrem Fächer.
Mrs Scott, die Tanzlehrerin, klatschte drei Mal in die Hände, und in dem Raum, der sich inzwischen mit mehreren Dienern gefüllt hatte, die als zusätzliche Tanzpartner eingesetzt wurden, wurde es still. Mrs Scott, eine hochgewachsene Frau von ungefähr Anfang fünfzig und mit einer fabelhaften Figur, trug ein violettes Kleid mit einer langen, gleichfarbigen Feder, die aus ihrem Turban stach.
Mrs Scott blickte Chloe, Grace, Becky und Julia mit durchdringenden blauen Augen an. Chloe streckte sich unwillkürlich, und ein Buch tauchte vor ihren Augen auf. Überredung .
Mrs Scott ging in die Mitte des Raums. »Es liegt mir fern, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, denn hier geht es nur um Sie, meine Damen.« Sie schwang ihren Fächer aus Spitze und wiegte ihre Hüften, während sie herumstolzierte. »Aber erlauben Sie mir, Ihnen ein paar Schritte aus dem Tanz ›Mr Beveridge’s Maggot‹ zu zeigen. Maggot bedeutet, wie Sie bestimmt alle wissen, Marotte. Ich finde diesen Tanz ganz besonders – dramatisch.« Sie klatschte in die Hände, und die bunte Mischung aus Dienstmädchen, Dienern und sogar der Köchin von unten, die nur als »Köchin« bekannt war, trat nach vorne und stellte sich in zwei Reihen auf. »Mr Reeve?«
Ein junger Diener eilte hinüber zu Mrs Scott, sein Gesicht immer noch gerötet vom Hochheben der Sofas.
Mrs Scott verbarg ihr Gesicht hinter dem Fächer. »Ich bin jung. Ich bin die Schönheit des Balls. Bitten Sie mich um einen Tanz!«
Grace verdrehte die Augen.
Chloe saß hingerissen auf dem Rand ihres Platzes.
Mr Reeve verbeugte sich. »Entschuldigen Sie, Miss. Dürfte ich um diesen Tanz bitten?«
Mrs Scott lugte hinter ihrem Fächer hervor. »Hmm. Ja, ich glaube, dem steht nichts entgegen.« Sie schlug die Augenlider nach unten, knickste und gab Lady Martha mit einem Fingerschnalzen zu verstehen, dass das Spiel beginnen konnte. Die Musik setzte ein, und kurze Zeit später, nachdem die ersten Akkorde ertönt waren, fühlte sich Chloe wie in der Fernsehverfilmung von Stolz und Vorurteil mit Colin Firth und Jennifer Ehle.
Grace schaute auf die Uhr an ihrer Chatelaine.
Mit dem Fächer in der Hand klopfte Julia den Rhythmus der Musik. Becky lächelte.
Mrs Scott erklärte die Schritte. »Beide Paare halten einander an den rechten Händen und drehen sich.« Chloe, ganz gebannt, strengte sich
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