Rendezvous mit Mr Darcy
Eine Reihe toter Fischaugen starrten sie an, und ihr Magen drehte sich um. Sie sah den Diener an. »Gibt es auch Kartoffeln?« Gekochte Kartoffeln gab es immer.
»Ich lebe zurzeit von Kartoffeln«, meinte sie zu Henry.
»Saftiges Schwein und Kuhzunge finden also nicht Ihren Zuspruch?«, fragte er.
Die Art, wie im neunzehnten Jahrhundert das Essen angerichtet wurde, alles mitsamt Köpfen und Füßen, entsprach ganz und gar nicht dem Geschmack von Chloe. Sie hatte bereits abgenommen und verzog die Nase.
Der Diener nickte. »Einen Moment.«
Sie vermutete, dass die Dienerschaft ihren eigenen Spaß an allem hatte und es dort bereits zur Paarbildung gekommen war. Jedenfalls hoffte sie das für sie. Es sah nun so aus, als ob sie, trotz des reichlichen Angebots an Essen, den Tisch verlassen würde, ohne viel gegessen zu haben, wie so häufig nach einem Mahl hier.
»Ich kann fast alles essen, nur kein Wildgeflügel«, bemerkte Henry. Auf seinem Teller lagen ein paar Fischstücke.
»Mir geht es ebenso«, erwiderte Chloe.
»Liegt das an Ihrer Vorliebe für Vögel, Miss Parker?«
Woher wusste er das? Chloe lenkte das Thema auf eines seiner Interessengebiete – die Froschaufzucht. »Und Sie essen bestimmt auch keine Froschschenkel.«
Henry lächelte. »Da haben Sie völlig Recht.«
»Sagen Sie, welche der Kandidatinnen empfehlen Sie derzeit Ihrem Bruder?«
Henry nahm einen Schluck von seinem Wein. »Sie liegen ziemlich weit vorne, Miss Parker.«
»Ich bin nur neugierig.« Sie bemerkte, dass ihn dieser Gesprächsverlauf zwar etwas nervös machte, aber auch sein Interesse weckte. Und sie wollte sein Interesse wecken – um so Sebastians Interesse zu wecken.
»Ich habe noch niemanden empfohlen, sondern ihm nur geholfen, den Charakter einiger Damen zu erkennen.«
»Und was haben Sie bei meinem Charakter erkannt?«
Henry faltete seine Serviette neu. »Es ist noch etwas zu früh, um den zu beurteilen, wenngleich ich schon meine Theorien habe.« Er grinste.
Chloe zog die Augenbrauen hoch. Jetzt war ihr Interesse geweckt. Leider hatte es Grace, während sie mit Henry plauderte, geschafft, Sebastian in ein Gespräch über die Jagd zu verwickeln. »Oh ja. Im letzten Herbst hatte ich meine beste Saison überhaupt«, hörte sie Sebastian zu Grace sagen. Er hatte zwei Rebhühner verspeist, deren Knochen feinsäuberlich zusammen mit einem Haufen Fischgräten an der Seite seines Tellers lagen.
Grace nickte ihm begeistert zu, und ihre Feder nickte mit.
Chloe beobachtete Sebastian, der inzwischen sehr angeregt erschien und mit einer Hand gestikulierte, während er sprach; er lächelte sogar. Der Diener bot Chloe eine Platte mit gekochten Kartoffeln und Möhren an, und sie legte sich mit einer Silberzange vorsichtig etwas davon auf ihren Teller.
Sebastian lachte. »Ich muss vierzehn Raufußhühner erlegt haben! Ich freue mich schon auf die nächste Jagdsaison. Raufußhühner im August. Rebhühner im September. Fasane im Oktober …«
Chloe wandte ihren Kopf in seine Richtung, um ihn anzuschauen, worauf die Kartoffel, die sie mit der Zange hielt, auseinanderbrach und auf ihren Schoß fiel. »Oh …«
Henry bot ihr seine Serviette an, doch bevor irgendjemand Chloes Fauxpas bemerkte, piepste Grace wie eine Maus und stieß ein wohl überlegtes »Ach du meine Güte!« aus. Alle Köpfe und Kameras wandten sich zu Grace, während sie grinste und von ihrem Stuhl hochschoss.
Aus ihrem tief ausgeschnittenen Kleid lugte eine ihrer Brüste hervor!
Zuerst fuhr eine Welle des Entsetzens durch Chloe, und hätte nicht die auseinandergefallene Kartoffel in ihrem Schoß gelegen, wäre sie aufgestanden, um zu helfen.
Grace verharrte einen Augenblick, eine Hand über den gespitzten Mund haltend, schaute sie hinunter auf ihre Brust, während die Kameras sich um sie herumdrängelten. Sebastian fielen die Augen aus dem Kopf, und er ließ den Löffel fallen. Henry seufzte und schaute weg. Kate kratzte wild ihren Arm, während Julia die Arme verschränkte.
In diesem Augenblick begriff Chloe, dass Grace dieses Malheur inszeniert hatte. Chloe wusste, dass sie sich wie eine Dame zu benehmen hatte und besonders in der Öffentlichkeit nicht zu verärgert erscheinen durfte, doch ihre Hände zitterten, und sie wollte Grace zurechtweisen. Wie konnte sie nur Chloes erstes Dinner auf Dartworth so ruinieren!
»Oh Gott«, quiekte Grace, während ihr Silikonbusen wie in Zeitlupe aufrecht im Freien stand, bis Sebastian von seinem Stuhl aufsprang, sich die
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