Rendezvous mit Mr Darcy
sondern aus quadratischen Öffnungen bestanden.«
Henry nickte zustimmend und setzte an, etwas über die Zerstörung des Schlosses durch Kanonenkugeln im Englischen Bürgerkrieg zu erzählen, doch Chloe wandte sich von ihm ab, um wieder einen Blickkontakt mit Sebastian herzustellen. Stattdessen jedoch fiel ihr Grace ins Auge.
Alle unterhielten sich mit ihren Sitznachbarn, während Grace über das Stimmengewirr laut sagte: »Diese Bouillabaisse ist einfach köstlich. Wie schön, eine französische Köchin zu haben. Ich liebe das Essen und die Mode Frankreichs. Ich würde zu gerne wieder einmal nach Paris reisen, Sie nicht auch, Miss Parker?«
Das war sicher eine Falle. Grace musste gewusst haben, dass Chloe noch nie in Paris gewesen war. Sie war schon auf Marthas Vineyard, am Lake Tahoe und in den Hamptons gewesen, aber noch nie in Europa. Chloe öffnete ihren Mund und machte ihn wieder zu, einem Fisch vergleichbar. »Ich bin ganz glücklich, hier zu sein«, entgegnete sie.
Mrs Crescent nickte ihr zustimmend von der ande-ren Seite des Tisches zu.
Henry half ihr aus der Patsche. »Die Amerikaner erachten Frankreich zurzeit sicherlich nicht als einen Ort, an dem sich eine Dame aufhalten sollte.«
Grace aß einen Löffel Suppe.
»Vielen Dank«, sagte Chloe zu Henry.
»Danken Sie Napoleon«, erwiderte er und sah, wie sie mit ihrer Suppe spielte. »Sie machen das ganz wunderbar, wie Sie Ihre Bouillabaisse nicht essen. Mögen Sie sie nicht? Ich kann Mr Hill sagen, dass er Ihnen etwas anderes bringen soll. Mr Hill? Mr Hill …«
Chloe hörte zum ersten Mal, dass ein Bediensteter respektvoll angesprochen wurde. Ansonsten wurden sie immer nur beim Nachnamen gerufen, ohne ein »Mr« oder »Miss« davor. »Die Suppe ist gut, wirklich. Danke.« Chloe bemühte sich, weiter Blickkontakt mit Sebastian zu halten, während sie das Gespräch mit Henry fortführte. Sie fragte sich, warum er hier war, wenngleich sie vermutete, dass er seinem Bruder behilflich war, die Frauen zu begutachten, und seine neueste Aufgabe war es wohl, etwas über sie herauszufinden. Das war offensichtlich. Und so nahm sie sich vor, dabei auch auf ihre Kosten zu kommen und ihren Spaß zu haben. Auch wenn dieser Wunsch beinahe an die Grenze zur Ungehörigkeit ging, empfand sie ihn trotzdem als statthaft und nicht gegen die Regeln verstoßend.
»Sind Sie insgeheim verlobt, Mr Wrightman? Oder anderweitig vergeben?«
Henry verschluckte sich an seiner Suppe. »Nein. Nein. Ich bin nicht verlobt, und es zeichnet sich im Moment dahingehend auch nichts ab.«
»Wirklich?« Chloe war überrascht. Er wirkte sehr gesetzt, trug allerdings keinen Ehering, woraus sie hätte schließen können, dass er schon verheiratet wäre.
»Ich nehme mir gerade von allem eine kleine Auszeit.«
»Indem Sie sich für sechs Wochen mitten aufs Land unter eine Schar heiratswürdiger Damen begeben?«
»Sie haben völlig Recht, Miss Parker. Aber Sie haben sicherlich erkannt, dass ich hier bin, um meinen Bruder zu unterstützen, eine passende Frau zu finden. Er ist bereit zu heiraten und sesshaft zu werden.«
»Und Sie, nehme ich an, sind es nicht?«
»Ich bin jünger.«
Aber nicht viel , dachte Chloe. Vielleicht ein oder zwei Jahre.
»Mein Bruder möchte seine Zeit nicht mit jemandem verschwenden, den er sich nicht als die Liebe seines Lebens vorstellen kann. Ich bin hier, um ihn in jeglicher Weise zu unterstützen.«
»Ein großes Opfer Ihrerseits.«
»Das ist es.«
Sie wandte sich Sebastian zu. Ein oder zwei Mal schielte er den Tisch hinunter zu ihr, aus seinem Suppenteller dampfte es.
Sebastian war in Gesellschaft anderer steif, stellte Chloe fest. Schüchtern. Ähnlich wie Darcy. Trotzdem vermutete sie, dass er immer noch mit ihr sprechen wollte, da er sie immer wieder anschaute, ebenso wie die anderen Frauen allerdings auch. Er sah so umwerfend aus, dass sie jedes Mal errötete und alle um sich herum überdeutlich wahrnahm, wenn sie seine Aufmerksamkeit erregte. Als die Diener die Suppenteller abräumten, hatte Chloe für sich entschieden, er könnte durchaus ihr Mr Darcy sein. Wann würde sie ihn wieder für sich alleine haben? Wie könnte sie ihn besser kennenlernen? Sie stellte sich vor, wie sie miteinander tanzten, wie ihre Hände sich berührten und wie sie sich drehten, ohne den Blick vom anderen abwenden zu können.
»Rebhuhn oder Fisch, Miss Parker?«, fragte Henry.
Ein Diener hielt Chloe ein Silbertablett mit gebratenen Vögeln und Fischen mit Köpfen hin.
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