Rendezvous mit Mr Darcy
Damen knicksen konnten.
Chloe spürte die Leere, die er hinterließ.
»Zeit für die Einladungszeremonie«, verkündete der Butler.
Chloe trat zurück zur Tür, ihre nackten Schultern waren kalt geworden.
Der Butler öffnete die Türen. »Meine Damen.«
Chloe hatte vergeblich versucht, zu Sebastian durchzudringen. Genauso wenig hatte sie Gelegenheit gehabt, von den köstlichen Pralinen zu probieren. Der Kugelpudding war ebenfalls unberührt geblieben und stand symbolhaft für diese ganze Einladung, die an sich ein Fest hätte werden sollen, dann aber in einem Fiasko geendet hatte. Zur Krönung des Ganzen hatte sie auch noch Henry verloren.
Der Butler tippte gegen das Kondom in seiner Jackentasche. »Nach Ihnen, Miss Parker.«
Sie war das letzte Mitglied der Gesellschaft, das den Raum verließ. Chloe brauchte etwas zu trinken, und nicht nur einen schwachen zweihundert Jahre alten, zitronengelben, dünnen Punsch mit einem Spritzer Champagner. Was sie brauchte, war ein kräftiger, neuzeitlicher Martini.
Ein paar Minuten später stand Chloe, wenn auch ohne starkes Getränk, jedoch zusammen mit Gillian, Julia und Kate vor dem Pianoforte, sie waren alle wieder sauber und schön zurechtgemacht. Während die Kameras filmten, ging Sebastian am anderen Ende des Raums auf und ab. Jeder versuchte, die drei cremefarbenen Einladungen auf dem Silbertablett zu ignorieren.
Chloe stellte sich vor, wie Sebastian ihre Unschuld an allem erkennen, zwei Einladungen in den Kamin werfen, schnurstracks auf sie zukommen und ihr den verbliebenen Umschlag überreichen würde. »Sie sind es«, würde er erklären. »Sie waren es schon immer. Nehmen Sie diese Einladung! Nehmen Sie mich! « Er würde sie in seine Arme ziehen und – doch das würde nicht eintreten. Noch lange nicht.
Stattdessen räusperte sich Sebastian. »Ich möchte vorab sagen, dass …« Er machte eine kamerawirksame Kunstpause beim Sprechen und hob eine der Einladungen hoch. »Dies eine der schwierigsten Entscheidungen war, die ich je habe treffen müssen.« Er trat mit seinen Reitstiefeln von einem Fuß auf den anderen. »Sie alle sind sehr attraktive Frauen und ebenso – interessante Persönlichkeiten.« Er schaute Chloe direkt in die Augen.
Zack . Chloe erkannte die spitze Bemerkung. Interessant bedeutete nie etwas Gutes in der Sprache der Männer, und das weder in der Zeit des Regency noch heutzutage. Außerdem bemerkte sie plötzlich ihren beißenden Körpergeruch. Das kam davon, wenn eine Frau nicht duschen konnte, dafür aber reiten musste und auf einer desaströsen Teegesellschaft Schweißausbrüche erlitt.
Sebastian schaute auf die Einladung in seiner Hand, seine langen, dichten Wimpern strichen beinahe über seine aristokratischen Wangenknochen. Außer den Flammen des Feuers bewegte sich nichts im Zimmer, und es war so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Er schaute hoch. »Lady Grace.«
Wums . Eine Kamera schwenkte herbei, um Grace zu filmen, die auf Sebastian zuschlenderte, während eine andere den Gesichtsausdruck der anderen Frauen einfing.
Chloe ballte ihre behandschuhten Hände zu einer Faust. In der Ecke des Raumes lag aufgeklappt ihr Nähkästchen. Der Kaminschirm, den sie gerade begonnen hatte zu nähen, schien sie zu verspotten. Sie würde so vieles unvollendet zurücklassen, wenn sie jetzt gehen müsste. Es ging nicht mehr nur noch um das Geld, das begriff sie jetzt. Sie war bereit, alles aufs Spiel zu setzen – ihr Geschäft, ihre kostbare Zeit mit Abigail und sogar ihre Freundschaft mit Henry – für das hier, für Sebastian, für all das, was er bot. Seine leise Würde, sein Durchhaltevermögen, seine liebevollen Gesten mit Rätseln, Scherenschnitten und in Goldpapier verpackten Geschenken auf einem Burgverlies.
»Lady Grace, werden Sie diese Einladung annehmen?« Sebastians Stimme klang fast wie ein Singsang, als er die Frage stellte.
»Natürlich.« Grace ließ den Umschlag in ihre Hand gleiten, betrachtete ihn von oben bis unten und knickste dann.
Er verbeugte sich und schaute auf ihren Po, als sie zurückging.
Chloe zuckte zusammen. Sie verdrängte jeglichen Gedanken einer amourösen Verwicklung zwischen Sebastian und Grace; allein bei der Vorstellung wurde ihr schon übel.
Grace nahm ihren Platz neben Chloe ein und drückte den Umschlag an ihre Brust.
»Miss Tripp.«
Natürlich würde er sich für Julia entscheiden, dachte Chloe. Wieso auch nicht? Die ranke, schlanke, begeisterungsfähige Julia
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