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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Kommandanten
    »Nun, Rod, wie passen die Hermianer in Ihr theologisches Weltbild?«
    »Nur allzu gut, Commander«, antwortete Leutnant Rodrigo mit humorlosem Lächeln. »Es ist der uralte Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen. Und zuweilen müssen die Menschen in diesem Kampf eine Seite wählen.«
    Habe ich doch gewusst, dass es irgend so was ist, dachte Norton., Diese Situation muss für Boris ein Schock gewesen sein, aber ich glaube nicht, dass er resignieren und sie passiv hinnehmen wird. Die Kosmo-Christen waren energische und kompetente Leute. Tatsächlich ähnelten sie in mancherlei Hinsicht den Hermianern beträchtlich.
    »Ich vermute, Sie haben einen Plan, Rod?«
    »Jawohl, Commander. Es ist wirklich ganz einfach. Wir brauchen nur die Bombe zu entschärfen.«
    »Aha. Und welchen Vorschlag zur Durchführung haben Sie? «
    »Ich nehme eine kleine Drahtschere mit.«
    Wenn jemand anderer ihm diesen Vorschlag unterbreitet hätte, Norton würde an einen Scherz geglaubt haben. Nicht so bei Boris Rodrigo. »Moment mal! Das Ding strotzt von Kameras. Glauben Sie denn, dass die Hermianer einfach auf ihrem Hintern sitzen bleiben und Ihnen zusehen werden?«
    »Aber sicher; mehr können sie nämlich gar nicht tun. Wenn das Funksignal bei ihnen ankommt, ist es bereits viel zu spät. Ich kann die Sache leicht in zehn Minuten erledigen.«
    »Ich verstehe. Die werden aber wütend sein. Aber nehmen Sie mal an, die Bombe hat eine Sicherungsvorrichtung und Ihre Manipulation zündet sie?«
    »Das scheint mir höchst unwahrscheinlich, und wozu sollte es auch dienen? Diese Bombe wurde für eine bestimmte Aufgabe im tiefen Weltraum gebaut, und sie ist sicherlich mit allen möglichen Sicherungsvorkehrungen ausgestattet, um die Detonation zu verhindern, außer auf einen positiven Befehl hin. Aber dieses Risiko gehe ich gern ein - und es ist möglich, ohne unser Schiff dabei zu gefährden. Ich habe mir alles genau überlegt.«
    »Ich bin sicher, das haben Sie«, sagte Norton. Die Idee war verführerisch, und er war davon begeistert. Besonders behagte ihm die Vorstellung, wie frustriert die Hermianer sein würden, und er würde viel darum gegeben haben, ihre Reaktionen sehen zu können, wenn ihnen - zu spät - klar wurde, was mit ihrem tödlichen Spielzeug passierte.
    Doch es gab Komplikationen in anderer Hinsicht, und sie schienen sich zu vermehren, je länger Norton das Problem überdachte. Er sah sich vor die bei weitem schwierigste und kritischste Entscheidung seiner ganzen Laufbahn gestellt.
    Und das war sogar noch eine lächerliche Untertreibung. Er stand vor der schwierigsten Entscheidung, die jemals ein Kommandant zu treffen hatte: Denn von ihr konnte sehr wohl die Zukunft der gesamten menschlichen Rasse abhängen. Denn was war, wenn die Hermianer recht hatten?
    Nachdem Rodrigo ihn verlassen hatte, knipste er das bitte- NICHT-STÖREN -Schild an seiner Tür an; er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er es zum letzten Mal benutzt hatte, und war fast ein wenig überrascht, dass es funktionierte. Nun war er mitten im Herzen seines überfüllten, von geschäftigem Lärm erfüllten Schiffes ganz mit sich allein. Nur das Porträt des Kapitäns James Cook blickte aus den Fernen der Zeit auf ihn herab.
    Die Erde zu konsultieren war unmöglich; man hatte ihn ja bereits gewarnt, dass alle Nachrichten abgehört werden konnten - möglicherweise sogar durch Relais an der Bombe selbst.
    Damit lag die Verantwortung uneingeschränkt in seinen Händen.
    Irgendwo hatte er einmal eine Geschichte über einen Präsidenten der Vereinigten Staaten gehört - war es Roosevelt gewesen oder Truman? der auf seinem Schreibtisch ein Schild stehen hatte mit der Aufschrift: »Der Schwarze Peter landet hier.« Norton war nicht ganz sicher, was ein >Schwarzer Peter< war, aber er wusste, wenn einer auf seinem Schreibtisch gelandet war.
    Er konnte nichts tun und musste abwarten, bis die Hermianer ihn aufforderten abzudocken. Wie würde man das in den Geschichtsbüchern der Zukunft lesen? Norton machte sich keine übergroßen Sorgen über seinen Ruhm oder seine Schmach nach dem Tode, aber er legte auch keinen Wert darauf, für alle Zeiten als Mittäter in einem kosmischen Verbrechen in die Erinnerung der Menschen einzugehen, eines Verbrechens, das zu verhindern in seiner Macht gestanden hätte.
    Und Rodrigos Plan war einwandfrei. Wie er es nicht anders erwartet hatte, hatte dieser das kleinste Detail ausgearbeitet, jede Möglichkeit vorweggenommen -

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