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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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früh das Auf und Ab des Lebens ... Zuerst der Jubel, als dein Vater ins Kosmonautenteam gewählt wurde. Und dann diese blödsinnige Affaire mit Francesca und die Scheidung. Und jetzt das, diese scheußliche tragische Erfahrung.
    Nicole sank in eine Depression. Ihre Gedanken drehten sich noch immer viel zu wild, als dass an Schlaf zu denken war. Sie brauchte unbedingt Gesellschaft. Irgendwen. Also ging sie zum nächsten »Zelt« und klopfte leise an.
    »Ist da wer?«, hörte sie von drinnen. »Hai, Takagishi-san« , sagte sie. »Ich bin's, Nicole. Darf ich eintreten?« Takagishi öffnete die Tür. »Eine unerwartete Überraschung«, sagte er. »Ein offizieller Besuch?« »Nein.« Sie trat ein. »Strikt privat. Ich wollte noch nicht schlafen gehen und dachte ...«
    »Aber Sie sind mir doch stets willkommen.« Er lächelte sie
    freundlich an. »Sie benötigen doch keinen besonderen Grund.«
    Er blickte sie sekundenlang ruhig an. »Ich bin tief beunruhigt über das, was heute geschah. Ich fühle mich dafür verantwortlich. Ich glaube, ich habe nicht hartnäckig genug versucht, es zu verhindern, dass ...«
    »Aber nicht doch, Shigeru«, sagte Nicole. »Seien Sie doch nicht unvernünftig! Sie trifft doch wirklich keine Schuld. Sie haben ja immerhin protestiert. Ich bin der verantwortliche Arzt, und ich habe nichts, gar nichts gesagt.«
    Ihr Blick streifte ziellos durch Takagishis Behausung. Auf dem Boden neben seiner Pritsche sah sie auf einem kleinen Stück Stoff eine seltsame weiße Figurine mit schwarzen Zeichnungen. Sie kniete sich neugierig davor nieder und fragte: »Was ist denn das?«
    Dr. Takagishi wirkte leicht verlegen. Er trat neben Nicole und hob die kleine Statuette des feisten asiatischen Mannes mit Daumen und Zeigefinger hoch. »Es ist ein netsuke , ein Erbstück der Familie meiner Frau. Aus Elfenbein.«
    Er reichte Nicole den kleinen Mann. »Er ist der König der Götter. Sein Gegenstück, seine ebenso rundliche königliche Gemahlin, steht auf dem Tischchen am Bett meiner Frau in Kyoto. Früher einmal, ehe Elefanten vom Aussterben bedroht waren, haben viele Menschen solche Schnitzwerke gesammelt. Die Familie meiner Frau besitzt viele exzellente Arbeiten dieser Art.«
    Nicole betrachtete die kleine Gestalt in ihrer Hand. Auf dem Gesicht lag ein heiteres, ein gütiges Lächeln. Sie rief sich das Bild der schönen Machiko Takagishi drunten in Japan in Erinnerung, und ein paar Sekunden lang empfand sie fast so etwas wie Neid auf die innige Verbindung zwischen diesen zwei Menschen. Damit wäre sowas wie Wilsons Tod vielleicht leichter zu ertragen , dachte sie.
    »Möchten Sie sich nicht setzen?«, sagte Dr. Takagishi. Nicole ließ sich auf einer Kiste neben dem Lager nieder. Dann sprachen sie fast eine halbe Stunde lang miteinander. Hauptsächlich tauschten sie Erinnerungen an die eigene Familie aus. Andeutungsweise streiften sie mehrmals die Tragödie am Nachmittag, vermieden es jedoch strikt, Rama und die Newton-Mission genau anzusprechen. Was ihnen beiden not tat, waren die tröstlichen Erinnerungen an ihren Alltag auf der Erde.
    »Und nun«, sagte Takagishi, nachdem er seinen Becher Tee geleert und neben den von Nicole auf das Tischchen gesetzt hatte, »habe ich eine etwas absurde Bitte an die Ärztin des Jardins. Würden Sie bitte in Ihr Haus zurückgehen und Ihren Biometrie-Apparat holen? Ich möchte mich gern einem Scanning unterziehen.«
    Nicole setzte zu einem Lachen an, begriff aber sofort den ernsten Ausdruck im Gesicht des Mannes. Ein paar Minuten später, als sie zurück war, erklärte er ihr, warum er sie darum gebeten hatte. »Heute Nachmittag verspürte ich zweimal einen scharfen Schmerz in der Brust. Während der Aufregung, nachdem Wilson gegen die Bioten gerammt war und mir bewusst wurde ...« Er ließ den Satz unbeendet. Nicole nickte und aktivierte den Scanner.
    Während der folgenden drei Minuten sagten beide kein Wort. Nicole überprüfte sämtliche Warnsignale, zog Kardiogramme und Auswertungen der Herzleistung zu Rate und schüttelte immer wieder den Kopf. Als sie am Ende war, wandte sie sich ihrem Freund zu und lächelte bitter. »Sie hatten einen leichten Herzanfall, Dr. Takagishi. Vielleicht zwei, kurz nacheinander. Und seitdem ist die Herztätigkeit unregelmäßig.« Sie sah, dass er damit gerechnet hatte. »Es tut mir leid. Ich habe einige Medikamente mit, die ich Ihnen geben kann, aber das wäre nur ein Notbehelf. Wir müssen sofort zur Newton zurück, um das Problem korrekt

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