Rendezvous mit Übermorgen
liebten, musste es jedes Mal in einer anderen Stellung sein, oder von anderer Musik begleitet; wenn nicht, war es ein alter Hut für sie. Eine Zeitlang war ich erfinderisch genug, sie zufriedenzustellen. Ich übernahm auch die ganzen Routineaufgaben, um sie von dem öden Trott im Haushalt zu befreien. Aber schließlich hatte ja auch mein Tag nur vierundzwanzig Stunden. Am Ende kam es dahin, dass meine wissenschaftliche Arbeit - trotz meiner beträchtlichen Kapazität darunter zu leiden begann, weil ich meine gesamte Energie darauf richten musste, ihr das Leben aufregend und interessant zu gestalten.
Als wir ein Jahr lang verheiratet waren, wollte Sarah in London eine kleine Wohnung suchen, damit sie nicht mehr jede Nacht nach der Vorstellung die lange Fahrt nach Hause machen musste. Tatsächlich hatte sie schon eine Weile immer mal wieder ein paar Nächte pro Woche in London zugebracht, angeblich bei einer Kollegin. Aber ihre Karriere befand sich steil auf dem Weg nach oben, wir hatten genug Geld, warum hätte ich also was dagegen sagen sollen? - Es dauerte nicht lang, da breitete sich der Tratsch über ihr Betragen immer mehr aus. Ich zog es vor, das alles nicht zur Kenntnis zu nehmen - wahrscheinlich weil ich mich davor fürchtete, sie würde alles zugeben, falls ich sie fragte. Und dann, eines Abends, während ich mich gerade auf eine Prüfung vorbereitete, bekam ich einen Telefonanruf von einer Frau. Sie war sehr höflich, aber ganz unüberhörbar durcheinander. Sie erklärte mir, sie sei die Frau des Schauspielers Hugh Sinclair, der gerade neben Sarah in dem amerikanischen Drama In Any Weather die Hauptrolle spielte, und die beiden hätten ein Verhältnis miteinander. Sie sagte: >Und gerade jetzt ist er drüben bei Ihrer Frau in ihrem Apartment!< Dann begann Mrs. Sinclair zu weinen und legte auf.«
Nicole fuhr Richard leicht mit den Fingern über die Wange. »Mir war, als platzten mir die Lungen«, sprach er schmerzvoll weiter. »Ich war zornig, entsetzt, in Panik. Ich raste zum Bahnhof und erwischte den Nachtzug nach London. Als das Taxi mich vor Sarahs Haus absetzte, rannte ich sofort hinauf.
Ich klingelte nicht. Ich raste die Treppe hinauf und fand die beiden nackt im Bett, schlafend. Ich packte Sarah und schleuderte sie gegen die Wand - ich höre noch immer das Klirren, als sie mit den Kopf gegen den Spiegel prallte. Dann stürzte ich mich wie rasend auf den Mann, schlug ihm mit der Faust wieder und wieder ins Gesicht, bis es nur noch eine blutige Masse war. Es war scheußlich ...«
Richard begann lautlos zu weinen. Nicole legte ihm die Arme über die zuckende Brust »Lieber, Liebster...«, sagte sie.
»Ich war ein Tier«, keuchte er. »Schlimmer als mein Vater es je war. Ich hätte sie beide umgebracht, wenn nicht die Leute aus der Nachbarwohnung gekommen und mich überwältigt hätten.«
Mehrere Minuten lang sagte keiner etwas. Als Richard dann weitersprach, klang seine Stimme gedämpft, wie von weit her. »Am nächsten Tag - nach dem Verhör bei der Polizei, den Reportern von der Regenbogenpresse, den ganzen gegenseitigen Beschuldigungen zwischen Sarah und mir - am nächsten Tag wollte ich mich umbringen. Und wenn ich eine Schusswaffe gehabt hätte, ich hätte es wirklich getan. Ich überlegte mir die grässlichen anderen Möglichkeiten - Tabletten, eine Rasierklinge an die Handgelenke, der Sprung von einer Brücke als ein Kommilitone kam und mir eine komplexe Frage zur Relativitätstheorie stellte. Und es war einfach unmöglich, nach fünfzehn Minuten des Denkens mit Mister Einstein den Selbstmord noch für einen gangbaren Ausweg zu halten. Scheidung, ganz bestimmt. Keine neue Ehe - höchstwahrscheinlich. Aber deswegen sterben - das kam nicht mehr in Frage. Ich hätte es nie über mich bringen können, meine Liebesaffäre mit der Wissenschaft so unerfüllt-unreif abzuwürgen.« Seine Stimme war immer leiser geworden.
Nicole fuhr sich über die Augen. Dann legte sie ihm beide Hände in die seinen. Sie bog den nackten Körper über Richard und küsste ihn. »Ich liebe dich«, sagte sie.
Das Wecksignal in ihrer Uhr sagte ihr, dass es in Rama wieder Tag geworden sei. Nach hastiger Berechnung notierte sie im Kopf: Noch zehn Tage. Wir reden wohl besser mal ganz ernsthaft darüber.
Auch Richard war von dem Alarmruf geweckt worden. Lächelnd wandte ersieh ihr zu. »Lieber«, sagte Nicole, »die Zeit ist reif...«
»... das Walross sprach, zu plaudern über viele Dinge ...«
»Nein, wirklich, sei doch
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