Rendezvous mit Übermorgen
sagte Richard befehlend, »dann warte nicht endlos. Such den Rettungstrupp, bastelt das Segelboot zusammen und kommt rüber! In bin drunten in der Weißen Kammer.« Er holte tief Luft. »Sicheren Flug, Liebste«, fügte er hinzu. »Vergiss nicht, ich liebe dich!«
Am Pochen ihres Herzens spürte Nicole, dass der Augenblick der Trennung nun doch gekommen war. Sie küsste Richard lange auf den Mund. »Und ich liebe dich«, murmelte sie.
Als sie sich voneinander gelöst hatten, winkte Richard den Vögeln auf der Mauerkrone zu. Der Grausamtige schwang sich vorsichtig in die Luft, seine beiden Gefährten folgten ihm. Sie schwebten in Flugformation direkt über Nicole. Sie spürte, wie die drei Tragleinen sich strafften - und wurde in die Luft gehoben.
Sekunden später begannen die elastischen Seile sich zu dehnen, und Nicole sackte wieder dem Boden zu. Die Vögel stiegen höher und wandten sich aufs Meer hinaus, und Nicole kam sich vor wie ein Jojo und hüpfte in der Luft auf und ab, als die Halterung sich dehnte und dann mit einem Ruck wieder zusammenzog und die Vögel rasch größere Höhe gewannen.
Es war ein aufregender Flug. Einmal, aber nur knapp, streifte sie die Wasseroberfläche, als sie noch ziemlich dicht am Ufer waren. Sie empfand einen kurzen Schrecken, doch die Vögel stiegen sofort höher, ehe mehr als Nicoles Füße nass werden konnten. Und sobald das Elastikseil seine höchste Dehnung erreicht hatte, war die Fahrt ziemlich ruhig und glatt. Nicole saß in ihrem Geschirr, hielt sich an zwei der drei Leinen fest, und ihre Füße baumelten etwa acht Meter über den Wellenkämmen.
In der Mitte war die See ziemlich glatt. Etwa auf halbem Weg sah Nicole zwei lange dunkle Gestalten unter sich auf parallelem Kurs schwimmen. Sie war sicher, dies müssten Hai-Bioten sein. Außerdem entdeckte sie noch zwei, drei andere Spezies im Wasser, darunter eine, die lang und dünn war wie ein Aal und sich halb aus dem Meer hob und sie beobachtete. Puh, dachte sie beim Hinterschauen, da bin ich aber wirklich froh, dass ich nicht schwimmen muss.
Die Landung vollzog sich problemlos. Nicole hatte befürchtet, die Vögel könnten übersehen, dass am anderen Ufer ein fünfzig Meter hohes Kliff aufragte. Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Sobald sie in die Nähe der Küste im Nördlichen Halbzylinder gelangten, stiegen die Vögel gemächlich höher. Dann setzten sie Nicole behutsam etwa zehn Meter vom Klippenrand entfernt auf den Boden.
Die Riesenvögel landeten in ihrer Nähe. Nicole befreite sich aus den Gurten und ging zu ihnen hin. Sie dankte ihnen überschwänglich und versuchte ihnen den Kopf zu tätscheln, was die Vögel durch ruckartiges Zurückweichen vermieden. Sie ruhten sich ein paar Minuten lang aus, dann gab der Anführer ein Zeichen, und sie flogen wieder übers Meer nach New York zurück.
Der Gefühlssturm in ihrer Brust überraschte Nicole. Sie kniete nieder und küsste den Boden. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie im Grunde nie damit gerechnet hatte, heil aus New York herauszukommen. Ehe sie mit dem Feldstecher nach dem Rettungstrupp zu suchen begann, gönnte sie sich ein paar Augenblicke und überdachte noch einmal alles, was ihr widerfahren war - seit jener schicksalhaften Motorschlittenfahrt übers Eis. Vor New York, das war in einem anderen Leben, sagte sie. jetzt ist alles verändert.
Richard knotete das Geschirr vom Leitvogel los und ließ es zu Boden sinken. Alle drei Fluggeschöpfe waren nun wieder frei. Der Grausamtige bog den Hals nach hinten, um festzustellen, ob Richard damit fertig war. Das prächtige Kirschrot der Ringe war im vollen Tageslicht noch leuchtender, und Richard bestaunte die Bänder und überlegte, was sie wohl bedeuten mochten; ihm war durchaus bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit recht groß war, diese herrlichen Außerirdischen zum letzten Mal zu sehen.
Nicole trat zu ihm. Nach seiner Landung hatte sie ihn leidenschaftlich umarmt. Die Vögel hatten die Szene ungeniert und mit großem Interesse beobachtet. Für sie, dachte Nicole, sind wir wohl ebenso ein Rätsel. Die Linguistin in ihr stellte sich vor, wie eine wirkliche sprachliche Kommunikation mit einer außerirdischen Spezies verlaufen würde, wie es sein müsste, wenn man zu begreifen begann, wie eine von Grund auf andersartige Intelligenz denkt .. .
»Ich möchte gern wissen, wie wir >adieu< und >danke< sagen sollen«, murmelte Richard gerade.
»Das weiß ich auch nicht, aber es wäre schön, wenn
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