Rendezvous mit Übermorgen
Also verletze ich rein technisch keine Befehle.«
»Das ist einfach Käse«, hatte Admiral Heilmann markant dazwischen gesprochen. »Dr. Brown und ich selbst haben jetzt den Befehl über dieses Unternehmen. Und wir beide haben Ihnen befohlen, an Bord der Newton zu bleiben.«
»Und ich haben Ihnen mehrfach erklärt«, antwortete Richard fest, »dass ich einige persönliche Dinge in Rama zurückgelassen habe, die für mich von sehr großem Wert sind. Außerdem wissen Sie so gut wie ich, dass es hier an Bord für die nächsten paar Tage für keinen von uns irgendwas Wesentlliches zu tun gibt. Sobald der Beschluss zum Abbruch der Mission definitiv durch ist, fallen sowieso sämtliche Aktionsentscheidungen drunter, und man wird uns sagen, wann wir abdocken und Kurs auf die Erde zurück nehmen sollen.«
»Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern«, hatte Otto Heilmann steif geantwortet, »dass ich Ihr Vorhaben als einen Akt der Insubordination betrachte. Sobald wir wieder auf der Erde sind, gedenke ich, den Fall mit allen Mitteln ...«
»Ach, sparen Sie sich das bis dahin auf, Otto«, unterbrach Richard. Seine Stimme klang völlig ohne Schärfe. Er rückte sich den Raumanzug zurecht und wollte sich gerade den Helm aufsetzen. Francesca zeichnete wie üblich die Szene mit ihrer Videokamera auf. Seit dem Gespräch unter vier Augen, das sie mit Richard vor einer Stunde gehabt hatte, war sie ungewöhnlich schweigsam gewesen. Sie wirkte ganz desinteressiert, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz woanders.
Dann kam General OToole zu Richard herüber und streckte ihm die Hand entgegen. »Wir haben nicht viel miteinander gesprochen, Wakefield«, sagte er, »aber ich habe Ihre Arbeit stets bewundert. Viel Glück dabei. Und gehen Sie kein unnötiges Risiko ein.«
Richard war von dem freundlichen Lächeln im Gesicht des Generals überrascht. Er hätte eher erwartet, dass der amerikanische Offizier ihn dazu bewegen versuchen würde, nicht nach Rama zu gehen. »Es ist grandios in Rama, General«, hatte Richard gesagt. »Wie der Grand Canyon, die Alpen und die Pyramiden - alles zusammen.«
»Aber wir haben bereits vier Menschen von der Besatzung verloren«, antwortete OToole. »Ich möchte Sie gesund und bei Verstand zurücksehen. Gott segne Sie.«
Richard entkam endlich dem Händeschütteln des Generals, setzte sich den Helm auf und trat in die Luftschleuse. Als Wakefield bereits einige Minuten lang fort war, begann Admiral Heilmann an dem Verhalten des Generals herumzumäkeln. »Sie haben mich enttäuscht, Michael«, sagte er. »Der junge Mann könnte ja wahrhaftig aus Ihrer warmen Verabschiedung den Schluss ziehen, dass Sie sein Verhalten billigen.«
OToole blickte den Deutschen an. »Wakefield, mein lieber Otto, hat Courage. Und dazu auch noch eine Überzeugung. Er scheut weder die Ramaner noch ein Disziplinarverfahren vor der ISA. Was mich angeht, ich bewundere ein solches Selbstbewusstsein.«
»Quatsch!«, erwiderte Heilmann. »Wakefield ist nichts weiter als ein vorlauter, arroganter Schulbub. Wissen Sie, was er da drin zurückgelassen hat? Ein paar von seinen blöden theatralischen Shakespeare-Spielzeugrobotern. Er will einfach keinem Befehl gehorchen, das ist es. Er will immer tun, was auf seiner persönlichen Wertskala obenan steht.«
»Und damit unterscheidet er sich wohl kaum von uns anderen«, bemerkte Francesca. Es war auf einmal völlig still im Raum. »Richard ist unglaublich gescheit«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Möglicherweise hat er Gründe, wieder nach Rama zurückzukehren, die keinem von uns verständlich wären.«
»Also, ich, ich hoffe bloß, er kommt zurück, bevor es Nacht wird, wie er es versprochen hat«, sagte Janos. »Ich glaub nicht, dass ich es ertragen könnte, noch einen Freund zu verlieren.«
Die Kosmonauten fädelten sich aus dem Versammlungsraum in die Gang hinaus. »Wo ist eigentlich Dr. Brown?«, fragte Janos und schob sich neben Francesca.
»Er hat mit Yamanaka und Turgenjew zu tun. Sie gehen die eventuellen Aufgabenzuweisungen für die Besatzung für den Heimflug durch. Bei unserer Unterbesetzung wird wohl ganz schön viel interdisziplinäres Training nötig sein, ehe wir uns hier absetzen.« Francesca lachte. »Brown hat mich sogar gefragt, ob ich eventuell Ersatz-Navigationsingenieur spielen würde. Das muss man sich mal vorstellen!«
»Na, aber doch ohne Schwierigkeiten«, antwortete Janos. »Sie könnten doch wahrscheinlich jeden technischen Trick aus dem Handgelenk
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