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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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der Mann am Kreuz ist Ihnen sicher auch bekannt.«
    »Sehr schön«, antwortete Francesca. »Wirklich, sehr gut... Sehen Sie, Michael, Sie wissen doch, wie es weitergeht. Ich möchte, dass Sie bei diesem Interview möglichst gut wegkommen. Nicht, dass ich Sie mit Glaceehandschuhen anfassen werde, damit wir da klarsehen, aber ich möchte auch sicherstellen, dass die Wölfe dort unten Ihre Seite der Sache zu hören bekommen.«
    »Die heulen also schon nach meinem Skalp?«, unterbrach OToole sie.
    »Oh, aber klar doch. Und es wird noch weit schlimmer kommen. Je länger Sie die Aktivierung der Bomben hinauszögern, desto dicker wird Ihnen die ... die Wut um die Ohren fliegen.«
    »Aber warum?«, protestierte OToole. »Ich habe kein Verbrechen begangen. Ich habe nur die Zündung einer Waffe hinausgeschoben, deren Vernichtungspotenzial weit...«
    »Das spielt dabei keine Rolle«, warf Francesca ein. »In deren Augen haben Sie sich geweigert, Ihren Job zu tun, nämlich die Leute auf dem Planeten Erde zu schützen. Und diese Leute haben eine Höllenangst. Sie kapieren dieses ganze extraterrestrische Gequatsche nicht. Man hat ihnen versichert, dass Rama zerstört wird, und jetzt kommen Sie daher und weigern sich, die Leute von ihren Alpträumen zu befreien.«
    »Albträume«, murmelte OToole, »genau was Bothwell...«
    »Was ist mit Präsident Bothwell?«, fragte Francesca sofort.
    »Oh, nichts.« Er wich den bohrenden Augen aus. »Und, was sonst noch?«, fragte er ungeduldig. »Wie gesagt, ich möchte, dass Sie möglichst gut dastehen. Kämmen Sie sich die Haare nochmal, ziehen Sie eine saubere Uniform an, nicht den Flugdress. Ich pflastere Ihnen ein bisschen Make-up ins Gesicht, damit Sie nicht so verwaschen aussehen.« Sie trat wieder an sein Terminal. »Wir werden die Familienphotos mit ins Bild rücken, direkt bei Jesus und Michael. Überlegen Sie sich genau, was Sie sagen wollen. Und natürlich werde ich Sie fragen, warum Sie heute früh die Waffen nicht scharfmachen wollten.«
    Sie kam zu ihm herüber und legte ihm die Hand auf die Schulter. »In meiner Einführung werde ich bereits angedeutet haben, dass Sie unter großer nervlicher Belastung litten. Ich mochte Ihnen keine Worte in den Mund legen, aber wenn Sie sich zu kleinen Schwächen bekennen, kommt das wahrscheinlich ganz gut an. Besonders in Ihrem Land.«
    Während Francesca ihre Vorbereitungen abschloss, wand sich der General innerlich. »Muss ich das denn wirklich machen?«, fragte er. Ihm wurde immer unbehaglicher, je mehr Francesca seinen Raum umarrangierte.
    »Ja. Wenn Sie nicht wollen, dass alle Welt Sie für einen Benedict Arnold hält«, antwortete sie knapp.
    Kurz vor dem Dinner kam Janos ihn besuchen. »Ihr Interview mit Francesca war prima«, log er. »Immerhin haben Sie ein paar moralische Grundprobleme angeschnitten, mit denen wir alle uns beschäftigen sollten.«
    »Es war blöd von mir, dass ich den ganzen philosophischen Spinat aufgetischt hab«, sagte OToole gereizt. »Ich hätte Francescas Rat folgen und alles auf meine Erschöpfung schieben sollen.«
    »Also, Michael«, tröstete Janos, »was passiert ist, ist passiert. Aber ich bin nicht zu Ihnen gekommen, um mit Ihnen eine Revue der Tagesereignisse zu veranstalten. Ich bin sicher, das haben Sie selber schon zur Genüge getan. Nein, ich wollte Sie fragen, ob ich Ihnen irgendwie helfen kann.«
    »Ich ... ich glaube nicht, Janos. Aber ich bin dankbar, dass Sie daran gedacht haben.«
    Das Gespräch stockte lange. Schließlich erhob sich Janos und schlurfte zur Tür. »Und was machen Sie jetzt?«, fragte er leise.
    »Ich wollte, ich wüsste das«, antwortete OToole. »Irgendwie, scheint mir, bin ich außerstande zu entscheiden, was ich tun soll.«
    Das kombinierte Raumfahrzeug Rama-Newton stürzte weiter auf die Erde zu. Mit jedem Tag wuchs die Bedrohung stärker der gigantische Zylinder raste mit hyperbolischer Geschwindigkeit einem katastrophalen Aufprall entgegen, wenn unterwegs keine weiteren Kurskorrekturen erfolgten. Der vorberechnete ungefähre Einschlagspunkt lag im Staat Tamil Nadu in Südindien unweit der Stadt Madurai. Jeden Abend sprachen Physiker in den Nachrichten der Medien über das drohende Unheil und was dabei zu erwarten sei. Begriffe wie >Schockwellen< und >Ejecta< schwirrten auf Dinnerparties und an Stammtischen herum.
    Michael OToole wurde von der gesamten Weltpresse mit Schmähungen überhäuft. Francesca hatte Recht behalten. Die Angst und Wut der Welt richtete sich auf

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