Rendezvous mit Übermorgen
verlaufen«, sagte Nicole. Richard trat an den Eingang der Weißen Kammer und rief in den Schacht hinein: »Hallo! Michael? OToole? Sind Sie okay?«
»Ja«, kam die Antwort aus der Richtung des zentralen Treppenschachtes. »Könnten Sie mit Nicole vielleicht für eine Minute herkommen?«
»Was gibt's denn?«, fragte Richard Minuten später, als er und Nicole sich zu OToole am Fuß der Treppe gesellten. »Wer hat diesen Höhlenbau gemacht?«, fragte der General,
den Blick gegen die Decke hoch droben gerichtet. »Und was glaubt ihr, warum das überhaupt gebaut wurde?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete Richard ungeduldig, »und ich glaube auch nicht, dass wir dieses Problem in ein paar Minuten oder auch den nächsten paar Stunden lösen werden. Inzwischen aber haben wir Arbeiten zu ...«
»Habt ein Weilchen Geduld mit mir!«, warf der General mit festem Ton ein. »Ich muss das mit euch besprechen, ehe ich weitermachen kann.« Nicole und Richard warteten. »Wir stürzen uns kopfüber und unbedacht in den Versuch, die Intelligenz, wer immer und wie immer sie sein mag, zu warnen, die dieses Schiff beherrscht. Wir tun dies unter der Voraussetzung, dass wir damit Rama ermöglichen, Vorkehrungen zu seinem Schutz zu treffen. Aber woher können wir wissen, ob das für uns das richtige Verhalten ist? Wer sagt uns, dass wir damit nicht zu Verrätern an unserer eigenen Rasse werden?«
Der General breitete die Arme in der weiten Höhle aus. »Es muss für das alles hier einen Grund geben, einen groß angelegten Plan. Warum wurden alle diese Fälschungen von menschlichen Objekten in der Weißen Kammer liegen gelassen? Warum haben uns die Ramaner zur Kommunikation aufgefordert? Wer und was sind diese Vogelwesen, die Spinnen mit den acht Greifern?« Er schüttelte niedergeschlagen über so viele unbeantwortete Fragen den Kopf. »Ich war unsicher, als es um die Vernichtung von Rama ging; aber ich bin genauso jetzt bei dieser Warnung unsicher. Was wäre, wenn Rama durch unsere Hilfe dem atomaren Vernichtungsschlag entgeht und daraufhin die Erde zerstört?«
»Das ist äußerst unwahrscheinlich, Michael. Rama I zog friedlich durch das Sonnensystem ...«
»Nur einen Moment, wenn's dir recht ist«, unterbrach Richard Nicole sanft. »Lass mich versuchen, dem General zu antworten.«
Er ging hinüber und legte OToole den Arm auf die Schulter.
»Michael«, sagte er, »was mich seit unserer allerersten Begegnung am meisten an Ihnen beeindruckte, ist Ihre Fähigkeit, die Unterschiede zu erkennen zwischen Antworten, die wir durch Deduktion, also durch wissenschaftliche Methodik, erlangen können, und jenen Fragen, für die uns nicht einmal eine tragfähige logische Näherung möglich ist. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir überhaupt keine Möglichkeit zu begreifen, was es mit Rama auf sich hat. Wir haben einfach noch nicht genügend Daten. Es ist, als wollte einer ein System von simultanen linearen Gleichungen lösen, in dem es viel mehr Variable gibt als feste Vorgaben. Multiple Hyperflächen mit korrekter Auflösung gibt es.«
O'Toole lächelte und nickte. »Was wir jedoch wissen«, sprach Richard weiter, »ist, dass eine Armada von Raketen sich im Anflug auf Rama befindet. Sie sind wahrscheinlich mit atomaren Sprengköpfen bestückt. Und wir haben die Wahl, Rama zu warnen oder nicht, und wir müssen diese Entscheidung auf der Grundlage der uns derzeit verfügbaren Informationen treffen.«
Richard holte seinen kleinen Computer hervor. »Man kann das ganze Problem als 3x2-Matrix darstellen«, fuhr er fort. »Angenommen, es gibt drei mögliche Angaben zur Rama-Bedrohung: niemals feindlich, immer feindlich und feindlich nur, wenn angegriffen. Nehmen wir diese drei Gegebenheiten als die Reihen der Matrix. Und jetzt bedenken wir, welche Entscheidung wir treffen wollen. Wir können die Ramaner entweder warnen oder uns entscheiden, es nicht zu tun. Und bedenkt, dass nur eine erfolgreiche Warnung eine Rolle spielt. Also haben wir
jetzt noch zwei Senkrechtfelder in der Matrix: Rama gewarnt und Rama nicht gewarnt.«
Nicole und O'Toole blickten Richard über die Schulter, während er die Matrix konstruierte und das Display auf seinem kleinen Monitor erscheinen ließ. »Wenn wir uns jetzt die Ergebnisse der sechs durch die einzelnen Elemente in dieser Matrix dargestellten Ereignisse betrachten und, wo immer möglich, ihnen entsprechende Wahrscheinlichkeit zuordnen, bekommen wir alle für unsere Entschlussfindung nötigen Informationen.
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