Rendezvous mit Übermorgen
Brücke stöckelte und das Volk vom Wasser abdrängte, damit Bardolini und seine Delphine genug Platz hätten. Francesca trug ein enganliegendes schwarzes Kleid, eine Schulter entblößt, mit einem Sternregen von Goldpailletten an der Brust. Um die Taille hatte sie einen goldfarbenen Schal geschlungen. Die langen blonden Haare waren in Zöpfen um den Kopf gelegt.
Ja, du passt wirklich hierher, dachte Nicole mit echter Bewunderung für die Leichtigkeit, mit der Francesca sich vor großem Publikum bewegte. Dr. Bardolini begann mit der Eröffnungsnummer seiner Delphin-Show. Nicole wandte sich dem Wasser-ring zu. Luigi Bardolini gehörte zu jener Spezies von umstrittenen Wissenschaftlern, die brillante Arbeit leisten, aber eben doch keineswegs so Außergewöhnliches, wie sie andere gern glauben machen möchten. Gewiss, er hatte eine einzigartige Kommunikationsmethode zwischen Mensch und Delphin entwickelt, und es war ihm gelungen, dreißig, vierzig Tätigkeitswörter aus dem Delphin-Repertoire von Lauten zu isolieren und zu identifizieren. Aber es stimmte einfach nicht, dass zwei seiner Delphine, wie er so oft behauptete, die Zulassungsprüfung für die Universität bestehen würden. Unseligerweise funktionierte aber die internationale Gemeinschaft der Wissenschaftler im 22. Jahrhundert so: Wenn einer seine höchst bestürzenden oder fortschrittlichen Theorien nicht faktisch untermauern konnte oder wenn sie der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, dann wurden seine sonstigen Entdeckungen, so fundiert sie sein mochten, oft gleichfalls verächtlich gemacht. Diese Einstellung hatte zu einem umfassenden Konservativismus in den Wissenschaften geführt, der keineswegs gesund war.
Im Gegensatz zu den meisten andren Wissenschaftlern allerdings war Bardolini ein gekonnter Showmaster. In der Finalsequenz seiner Präsentation ließ er seine berühmtesten Star-Delphine, Emilio und Emilia, in einem Realzeit-Quiz gegen zwei der lokalen Touristikführer, eine Frau und einen Mann, antreten, die am selben Abend per Los bestimmt worden waren. In der Konstruktion war der Vergleichstest verführerisch simpel. Auf zwei der vier großen elektronischen Bildschirme (ein Paar im Wasser, ein zweites im Villahof) erschien eine 3 x 3-Matrix mit einem Leerfeld in der rechten unteren Ecke. Die übrigen acht Elemente wurden von verschiedenartigen Bildern und Formen ausgefüllt. Die delphinischen und menschlichen Kandidaten sollten die von links nach rechts und oben nach unten wechselnden Muster auf der Matrix unterscheiden und dann auf dem Begleitschirm unter acht Möglichkeiten das richtige Element wählen, das in die leere rechte untere Ecke passte. Die Kandidaten hatten für ihre Wahl jeweils eine Minute Zeit. Die Delphine im Wasser und ihre Gegenspieler an Land hatten ein Kontrollpaneel mit acht Knöpfen, die sie drücken konnten (die Delphine mit der Nase), um ihre Wahl anzugeben.
Die ersten paar Probleme waren leicht - sowohl für die menschlichen wie die aquatischen Kandidaten. In der ersten Matrix erschien in der obersten linken Ecke ein einzelner weißer Ball, in der zweiten Säule der ersten Reihe zwei weiße Bälle und drei weiße Bälle in dem Matrixfeld der Reihe eins, Säule drei. Da das erste Element der zweiten Reihe gleichfalls ein einzelner Ball war, halb weiß, halb schwarz, und das Erstelement der dritten Reihe wieder ein einzelner, diesmal ganz schwarzer Ball, war es leicht, das Matrixmuster zu erkennen und zu entscheiden, dass als Lösung in das leere rechte untere Feld drei schwarze Bälle gehörten.
Die weiteren Probleme waren nicht mehr so einfach. Mit jeder neuen Runde wurden mehr Komplikationen eingebaut. Die Humankandidaten begingen bei der achten Matrix den ersten Fehler, die Delphine bei der neunten. Insgesamt bot Dr. Bardolini sechzehn Matrixmuster, wovon das letzte so kompliziert war, dass mindestens zehn unterschiedliche Variablen exakt erkannt werden mussten, ehe die Platzierung auf das freie Feld richtig vorgenommen werden konnte. Der letzte Durchgang endete unentschieden: Delphine gegen Menschen 12:12. Beide Teams verbeugten sich, und das Publikum klatschte Beifall.
Nicole fand die Übung faszinierend. Sie war nicht so recht sicher, ob sie Bardolinis Versicherung glauben sollte, dass es ein fairer Wettbewerb ohne vorherige Proben gewesen sei, doch das spielte für sie auch keine große Rolle. Sie fand die Art des Wettbewerbs an sich interessant, die Vorstellung, dass Intelligenz sich anhand der Fähigkeit zur
Weitere Kostenlose Bücher