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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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auch.«
    Warum eigentlich nicht? Nicole brachte die innere Summe zum Schweigen. Wenn ich es hier mache, brauche ich wenigstens nicht Papa und Genevieve mit reinzuziehen.
    Sie waren bereits unterwegs zu dem Behelfsstudio am anderen Ende des Portikus, als Nicole in der anderen Ecke des Raumes Shigeru Takagishi erblickte. Er stand gegen eine Säule gelehnt und sprach mit einem Trio japanischer Geschäftsleute in formeller Abendkleidung. »Einen Augenblick, bitte«, sagte Nicole zu ihren Begleitern, »bin gleich wieder da.«
    »Tanoshii shinnen, Takagishi-san«, grüßte Nicole. Der japanische Wissenschaftler zuckte zusammen, dann lächelte er ihr entgegen. Nach einer formvollendeten Vorstellung, bei der sich alle gebührlich und ehrerbietig verneigten, begann Takagishi ein höfliches Gespräch.
    »O genki desu ka ?«, fragte er.
    » O kage sama de«, antwortete Nicole. Dann neigte sie sich ihrem japanischen Kollegen zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich habe nur eine Minute Zeit. Aber ich wollte Ihnen sagen, dass ich alle Ihre Unterlagen sorgfältig studiert habe und mit Ihrem Hausarzt absolut übereinstimme. Es besteht kein Anlass, Ihre kardiale Anomalie dem Ärztekomitee gegenüber zu erwähnen.«
    Dr. Takagishi strahlte, als habe man ihm soeben eröffnet, dass seine Frau einem gesunden Knaben das Leben geschenkt habe. Er wollte ihr etwas Persönliches sagen, aber ihm fiel rechtzeitig ein, dass er mit Landsleuten zusammen war. » Domo arigatô gozaimasu «, sagte er und strahlte mit heißen Augen seinen Dank hinter Nicole her.
    Sie fühlte sich großartig, als sie zwischen Francesca und Julien LeClerc in das Behelfsstudio tänzelte. Bereitwillig posierte sie für die Standfotografen, während Signora Sabatini sich vergewisserte, dass der TV-Apparat funktionsbereit für das Interview war. Nicole trank noch ein Schlückchen Champagner-Cassis und plauderte dabei belangloses Zeug mit Julien. Schließlich nahm sie ihren Platz neben Francesca unter den knallend heißen Jupiterlampen ein. Wie wundervoll , dachte Nicole immer wieder, während sie sich an ihr früheres Gespräch mit Takagishi erinnerte, dass ich diesem brillanten kleinen Mann helfen kann.
    Die erste Frage, die Francesca an sie richtete, klang harmlos genug. Ob der bevorstehende Raumstart sie errege. »Aber selbstverständlich«, antwortete Nicole. Sodann lieferte sie einen kurzen Überblick über das Training der Kosmonauten vor der erwarteten Begegnung mit Rama II. Das Gespräch fand englisch statt. Die Fragen kamen gezielt und ordentlich. Nicole wurde gefragt, was ihre Funktion bei der Mission sei, was sie zu entdecken hoffe (»... das kann ich wirklich nicht sagen, aber alles, was wir finden, wird äußerst interessant sein«), und warum sie sich überhaupt für die Raum-Akademie entschieden hätte. Nach etwa fünf Minuten war Nicole unverkrampft und fühlte sich durchaus wohl; sie hatte das Gefühl, als folgten Francesca und sie einem komplementären Rhythmus.
    Danach stellte Francesca drei persönliche Fragen: Eine über ihren Vater, eine zweite über ihre Mutter und den Stamm der Senoufo an der Elfenbeinküste und eine dritte über das Leben mit ihrer Tochter Genevieve. Das war alles leicht zu beantworten, und darum war Nicole auf die vierte Frage völlig unvorbereitet.
    »Wenn man sich die Fotos Ihrer Tochter betrachtet, kann man kaum übersehen, dass sie eine bemerkenswert viel hellere Hauttönung hat als Sie«, sagte Francesca ebenso beiläufig und gelassen wie bei den vorherigen Fragen. »Genevieves Teint legt die Vermutung nahe, dass ihr Vater vielleicht ein Weißer war. Wer war der Vater Ihrer Tochter?«
    Nicole spürte, wie ihr Herz bei dieser Frage zu rasen begann. Dann schien die Zeit stillzustehen. Überraschend quoll eine Flut von heftigen Gefühlen in ihr herauf, und sie fürchtete, dass sie gleich zu weinen beginnen werde. Grell erschien vor ihrem inneren Augen das Bild zweier heißer, einander umschlingender Leiber in einem Spiegel. Sie holte keuchend Atem, senkte den Blick auf ihre Füße und mühte sich, die Fassung zurückzugewinnen.
    Du blöde Kuh , sagte sie insgeheim zu sich, während sie versuchte, das Gemisch aus Zorn und Schmerz und wiedererinnerter Liebe zu beschwichtigen, das über sie hereingebrochen war wie eine Springflut. Das hättest du dir doch vorher denken können! Wieder drohten ihr Tränen in die Augen zu quellen, und sie unterdrückte sie. Sie blickte zu den Scheinwerfern empor, dann zu Francesca hinüber. Die

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