Rendezvous mit Übermorgen
Villa rief. In der Nacht davor hatte es, was selten genug war, in Beauvois geschneit, und Nicole hatte der drängelnden Bettelei Genevieves nachgegeben und sie die Schule schwänzen lassen, damit sie im Schnee spielen könne. Nicole arbeitete damals am Krankenhaus in Tours. Sie wartete auf den Bescheid auf ihren Aufnahmeantrag an die Space Academy.
Gerade hatte sie ihrer siebenjährigen Tochter gezeigt, wie man einen Schnee-Engel macht, als Pierre sie zum zweiten Mal vom Haus aus rief: »Nicole, Genevieve, heut haben wir was Besonderes in der Post«, hatte er gerufen. »Das muss mitten in der Nacht gekommen sein.« Während die beiden zur Villa liefen, übertrug Pierre den Brieftext auf das Wandvideo.
»Höchst ungewöhnlich«, hatte Pierre gesagt. »Anscheinend hat man uns alle drei zur Krönung in England geladen, einschließlich des Privatempfangs danach. Wirklich, höchst ungewöhnlich.«
»Oh, Großvater«, sagte Genevieve aufgeregt, »ich würde so gern dabeisein. Fahren wir? Und seh' ich da echt einen König und eine Königin?«
»Es gibt da keine Königin, mein Schätzchen«, antwortete ihr der Großvater. »Na ja, also höchstens, wenn du die Königin-Mutter meinst. Dieser König ist noch nicht verheiratet.«
Nicole las die Einladung mehrmals, sagte jedoch keinen Ton. Nachdem sich seine Enkelin beruhigt hatte und aus dem Zimmer verschwunden war, hatte Nicoles Vater ihr den Arm um die Schultern gelegt.
»Ich will hin«, hatte sie leise gesagt.
»Bist du dir sicher?« Er wich von ihr zurück und betrachtete sie eindringlich. »Ja.« Die Antwort kam fest und bestimmt. Henry hatte sie vor diesem Abend nie gesehen , dachte Nicole, während sie zuerst die Uhrzeit und dann ihr Gerät für die Abfahrt vom Gipfel noch einmal überprüfte. Pap war großartig. Er hat mich einfach auf Beauvois verschwinden lassen, und kaum jemand wusste, dass ich ein Kind gekriegt hatte, bis Genevieve fast schon ein Jahr war. Henry hat nicht einmal einen Verdacht gehabt, jedenfalls nicht vor dem Abend damals im Buckingham-Palast.
Sie sah sich noch immer in der Reihe der auf den Empfang Wartenden. Der König hatte sich verspätet. Genevieve war zappelig geworden. Aber dann stand Henry ihr schließlich gegenüber. »Der Ehrenwerte Pierre des Jardins von Beauvois, Frankreich, mit Tochter Nicole und Enkeltochter Genevieve.« Nicole verbeugte sich angemessen, Genevieve machte einen Knicks.
»Also dies ist Genevieve«, sagte der König und bückte sich kurz, um dem Kind die Hand unters Kinn zu legen. Und als das Mädchen den Kopf hob, hatte er in dem Gesicht etwas Vertrautes erblickt. Mit dem Anflug einer Frage im Gesicht hatte er sich Nicole zugewandt, aber Nicoles Lächeln hatte nichts preisgegeben. Dann wurden die Namen der nächsten Audienzgäste ausgerufen, und der König schritt weiter.
Also hast du mir Darren ins Hotel geschickt , dachte Nicole und machte eine Schussfahrt einen kurzen Hang hinab, auf ein kurzes Schanzenbrett zu und war ein, zwei Sekunden lang in der Luft. Und der hüstelte und drückte sich herum und brachte schließlich die Einladung zum Tee heraus. «Sagen Sie Henry, ich kann leider nicht«, hatte sie (ihrer Erinnerung nach) damals vor sieben Jahren in London zu Darren gesagt.
Sie warf erneut einen Blick auf die Uhr. Erst elf, viel zu früh, um zur Hütte zu fahren. Sie stellte sich an einem der Lifts an und ließ sich noch einmal zum Gipfel tragen.
Es war zwei Minuten nach zwölf, als Nicole an dem kleinen Chalet am Waldrand anlangte. Sie schnallte die Bretter ab, pflanzte sie in den Schnee und ging an die Hüttentür. Sie missachtete die ringsum deutlich aufgehängten Schilder » EINTRITT VERBOTEN !«. Aus dem Nichts tauchten zwei stämmige Kerle auf, und der eine sprang tatsächlich vor Nicole und versperrte ihr den Zugang durch die Hüttentür. »Ist schon okay«, hörte sie eine vertraute Stimme sagen, »sie wird erwartet.« Die zwei Leibwächter verschwanden ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren, und in der Tür zum Chalet erblickte sie Darren, wie immer mit einem Lächeln im Gesicht.
»Hallo, Nicole«, sagte Darren, freundlich wie immer. Er war älter geworden. An den Schläfen zeichneten sich ein paar graue Stellen ab, und in dem kurzen Bart schimmerte ein wenig Salz im Pfefferschwarz. »Wie geht es Ihnen?«
»Prima, Darren«, antwortete sie. Sie spürte, dass sie entgegen allen vorbereitenden Lektionen, die sie sich erteilt hatte, schon wieder nervös wurde. Sie rief sich ins Gedächtnis,
Weitere Kostenlose Bücher