Rendezvous mit Übermorgen
beide Male abgelehnt worden war. Trotz seiner sensationellen Zulassungsziffer war er bei der persönlichen Anhörung zweimal durchgefallen. Und beide Male hatte General Valerij Borzow dem Komitee vorgestanden. Bis 2190 war Janos aktiv in verschiedenen Homosexuellen-Organisationen tätig gewesen. Danach war er aus allen ausgetreten und hatte sich nie wieder aktiv an irgendwelchen organisierten Aktivitäten zur Befreiung des homosexuellen Mannes beteiligt. Von diesen Informationen war kein Wort in der ISA-Akte von Janos zu finden.
Die neuen Informationen bestürzten Nicole. Es machte ihr nichts aus, dass Janos schwul gewesen war, oder es noch war; sie hegte keinerlei Vorurteile bezüglich menschlichen Sexualverhaltens. Nein, was sie wirklich zutiefst beunruhigte, war die Wahrscheinlichkeit, dass jemand absichtlich das offizielle Personaldossier zensiert und jeden Hinweis auf Janos' Homosexualität und frühere Kontakte zu General Borzow eliminiert hatte.
Auch die letzten Einträge in Taboris Chronologie überraschten Nicole. Demzufolge sollte Janos in der letzten Dezemberwoche, kurz vor dem Start, einen Vertrag mit Schmidt & Hagenest, dem deutschen Verlagsgiganten, unterschrieben haben. Seine Aufgabe war die nicht näher spezifizierte »Beratung«, bei einer großen Vielzahl von Medienverwertungen »nach Newton« und insbesondere die Unterstützung des so bezeichneten »Brown-Sabatini-Projekts«. Der Kosmonaut Tabori erhielt bei Vertragsabschluss ein Ersthonorar in Höhe von dreihunderttausend Mark. Drei Tage später wurde Taboris Mutter, die seit nahezu einem Jahr auf eines der neuen künstlichen Gehirnimplantate gewartet hatte, durch die das Alzheimer-Syndrom rückgängig gemacht werden konnte, in die Neurochirurgische Abteilung der »Bayernklinik« in München aufgenommen.
Müde und mit brennenden Augen las Nicole sich durch das umfangreiche Dossier über Dr. David Brown bis zum Ende. Im Verlauf des stundenlangen Studiums seiner Akte hatte sie sich einen Spezialauszug der Punkte angelegt, die für sie von besonderem Interesse waren. Und ehe sie sich nun erneut niederlegte und zu schlafen versuchte, ging sie diese besonderen Exzerpte noch einmal durch:
Sommer 2161: Brown (11) wird vom Vater gegen heftigen Widerstand der Mutter nach Camp Longhorn geschickt. Typisches Feriencamp im texanischen Bergland für Jungen aus dem oberen Sozialspektrum; sportliche Aktivitäten jeder Art, Schießunterricht, Werkunterricht, Wanderungen. Die Jungen lebten zu zehnt in einer Blockhütte. Brown war sogleich höchst unbeliebt. Am fünften Ferientag fingen ihn seine Schlafgenossen ab, als er von der Dusche kam, und schmierten ihm die Geschlechtsteile mit schwarzer Schuhkrem ein. Brown weigerte sich, das Bett zu verlassen, und seine Mutter musste fast zweihundert Kilometer weit heranreisen und ihn nach Hause holen. Der Vater scheint den Jungen nach diesem Vorfall gänzlich ignoriert zu haben.
September 2166: Brown durfte die Abschiedsrede seiner Abgangs-klasse an einer Privatoberschule halten; er immatrikulierte sich als Erstsemester für Physik in Princeton. Blieb nur acht Wochen in New Jersey. Setzte Vorexamensstudium an der SMU fort, lebte aber zu Hause.
Juni 2173: Verleihung des Doktorgrades in Physik und Astronomie von Harvard. Sein Doktorvater, Wilson Brownwell, bezeichnete ihn als »ehrgeizigen, gelehrigen Studenten«.
Juni 2175: Brown beendet seine Postdoktorats-Forschungs-Arbeit über Sternevolution bei Brian Murchison in Cambridge.
April 2180: Verehelichung mit Jeannette Hudson aus Pasadena/CaL Miss Hudson hatte in Stanford in Astronomie Examen gemacht. Einziges Kind (Tochter Angela, geb. Dez. 2184).
November 2181: Verweigerung der festen Dozentur für Astronomie an der Stanford University, weil zwei Mitglieder des Gutachtergremiums überzeugt waren, er habe in mehreren seiner zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen Fakten gefälscht. Die Streitfrage blieb ungelöst.
Januar 2184: Ernennung für das erste ISA-Beraterkomitee. Brown erstellte umfassende Planung für gekoppelte astronomische Megateleskope auf der Rückseite des Mondes.
Mai 2187: Brown zum Dekan der Astrophysikalischen Fakultät an der SMU in Dallas/Texas ernannt.
Februar 2188: Schlägerei mit dem Princeton-Professor Wendeil Thomas im Foyer vor dem Versammlungssaal des AAAS-Kongresses in Chicago. Thomas behauptete, Brown habe gemeinsam entwickelte Ideen gestohlen und als seine veröffentlicht.
April 2190: Sorgte für Wirbel in der
Weitere Kostenlose Bücher