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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Laurie
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Vogel!«, krähte er.
    »Pschhht!«, zischte ich und legte ihm die Hand über den Schnabel. »Komm, Junge. Sonst kriegen wir noch Ärger.«
    Wir verließen das Zimmer und schlugen den Weg nach unten ein. Dort waren Geräusche aus der Küche zu hören. Neugierig ging ich ihnen nach und fand Helen, wie sie im Bademantel vor sich hin summend Obst in Stücke schnitt.
    »Morgen«, grüßte ich und trat ein.
    Sie gab einen kleinen Schrei von sich, ließ das Messer fallen und presste sich die Hand auf die Brust.
    Ich eilte rasch zu ihr. »Verzeihung vielmals! Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    Helen atmete ein paarmal tief durch. Nachdem sie die Fassung wiedergewonnen hatte, hob sie das Messer auf. »Ich hätte nicht gedacht, dass jemand schon so früh auf ist.«
    »Mein Vogel hatte Hunger«, erklärte ich und deutete auf Doc.
    »Hi, Doc«, sagte Helen und hielt ihm ein Stück Melone hin. Doc stieß einen Pfiff aus.
    »Der geht mit Ihnen durch dick und dünn, was?«, meinte sie lächelnd, als er es ihr abnahm. Dann fragte sie: »Hätten Sie gern einen Kaffee?«
    »Danke, gern.« Ich setzte mich auf einen der Stühle an dem kleinen Küchentisch, und Helen brachte mir den Kaffee.
    »Ich hoffe, Sie haben heute Nacht besser geschlafen«, fragte sie. »Hat mein verstorbener Mann Sie wieder gestört?«
    »Arnold? Nein. Seit ich Ihnen das gestern gesagt habe, hat er sich nicht wieder gemeldet.«
    Helen nickte und machte sich wieder an die Arbeit. Doc und ich bekamen eine Schale Melonenstücke vorgesetzt. Der Vogel pfiff begeistert, und ich fütterte ihm ein paar Stücke, genoss die kameradschaftliche Stille und meinen Kaffee.
    Nach einer kleinen Weile fragte ich: »Hatte Steven etwas davon gesagt, dass er heute Morgen zurück nach Boston wollte?«
    Sie griff nach einem Karton Eier. »Nein. Warum, ist er nicht mehr da?«
    Ich nickte. »Sein Auto steht nicht da, und er hat sich nicht gemeldet, als ich vorhin an seine Zimmertür geklopft habe.« Ich musste ja nicht unbedingt erwähnen, dass ich sogar drin gewesen war.
    »Da würde ich mir keine Sorgen machen, M.J.«, sagte sie, während sie das erste Ei am Rand einer großen Schüssel aufschlug. »Er wird schon nicht lange wegbleiben.«
    Ich nickte. »Na gut. Ich glaube, ich laufe noch eine Runde vor dem Frühstück.«
    »Hört sich gut an. Frühstück gibt’s ab sechs.«
    Ich brachte Doc zurück in mein Zimmer und setzte ihn in den Käfig. Jetzt, da er satt war, schaute er friedlich zum Fenster hinaus.
    Ich zog mir meine Sportsachen an und lief nach unten, steckte die Nase noch mal kurz in die Küche, wo sich das Frühstück der Vollendung näherte, und bat Helen, Gilley auszurichten, dass ich joggen war, falls er aufwachte und nach mir fragte.
    »Viel Spaß«, sagte Helen. »Ich werde es auch Steven ausrichten, falls er zurückkommt.«
    »Danke«, sagte ich, darauf bedacht, mir den Ärger über sein Verschwinden nicht anmerken zu lassen.
    Draußen in der Kühle des Morgens atmete ich erst einmal tief durch. Es war genau die richtige Temperatur zum Laufen: nicht zu warm und nicht zu kalt. Zum Aufwärmen machte ich ein paar Dehnübungen und lief dann los, die Straße entlang.
    Zunächst nahm ich die Hauptstraße des Ortes – die passenderweise Main Street hieß –, weil ich in dem mir bekannten Teil des Ortes bleiben wollte, aber dann wurde ich kühner und schlug eine Querstraße ein, die zu einer Wohngegend führte. Die Häuser waren schlicht und adrett. Viele Grundstücke waren von weißen Lattenzäunen umgeben, was mich an meine Heimat in Georgia erinnerte. Vereinzelt waren schon Leute wach, holten ihre Zeitungen aus den Zeitungsröhren, sprengten den Rasen oder führten ihre Hunde aus. Andere Häuser lagen noch in tiefem Schlummer, vielleicht noch eine Stunde oder zwei, je nachdem, wie viel die Bewohner sich erlauben konnten.
    Ich lief eine Weile parallel zur Hauptstraße und bog dann in eine andere Querstraße ab, um wieder dorthin zurückzugelangen. Dabei kam ich ganz dicht an einem schwarzen Aston Martin vorbei, der in einer Einfahrt parkte. Als ich kapierte, dass das Stevens Auto sein musste, fuhr ich herum und blickte atemlos vom Laufen auf das Nummernschild. Es hatte tatsächlich das kleine »MD« -Zeichen, das den Besitzer als Arzt auswies.
    Nachdem ich das Auto ziemlich lange angestarrt hatte, richtete ich den Blick auf das Haus, vor dem es parkte, ein kleiner, einstöckiger Bau mit weißen Zierleisten und hellblauen Fensterläden. Wegen der vorgezogenen Rollos war

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