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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Laurie
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standen schon vorn auf der Veranda. Es schüttete wie aus Kübeln, und nichts deutete darauf hin, dass das Gewitter bald abflauen würde. »Fertig?«, fragte Steven mich. Ich nickte. Gil zwinkerte mir zu und machte sich auf den Weg die Treppe hinunter Richtung Van. Ich wollte ihm schon folgen, da fasste Steven mich am Handgelenk. »Warum zeigen Sie mir heute die kalten Arme?«, fragte er.
    »Wie bitte?«, fragte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien.
    Er ließ mich los. »Sie meiden mich. Warum?«
    Jetzt kapierte ich, was er meinte. »Die kalte Schulter.«
    »Meinetwegen, die kalten Schultern.«
    »Die kalte Schulter. Nur eine.«
    »Oh nein. Mindestens zwei, und die kalten Arme auch, und Ellbogen und Hände noch dazu. Warum?«
    Einen Moment stand ich stumm da und fragte mich, wie ich reagieren sollte. Die Wahrheit sagen? Oder lieber doch nicht zugeben, dass ich ihn heute Morgen aus diesem Haus hatte kommen sehen? Ich entschied mich für Letzteres. »Ich konzentriere mich auf meinen Job, das ist alles. Wie ich schon sagte, es wäre nicht gut, wenn ich mich ablenken ließe. Sie wollen doch, dass ich Ihrem Großvater helfe, oder?«
    Steven betrachtete mich eine kleine Ewigkeit. Er war alles andere als überzeugt. Ich dachte schon, er würde weiterbohren, aber er nickte nur und bedeutete mir, voraus zu den Autos zu gehen. Ich spurtete unter dem Regen durch und sprang in den Van zu Gilley.
    »Was war?«, fragte der.
    »Nichts. Ich hab ihm nur noch mal ein paar Grundregeln erklärt. Komm schon«, drängte ich. »Wir kennen den Weg ja inzwischen. Fahr los.«
    Gilley schüttelte den Kopf, wie um zu sagen: Frauen. Wer kann die schon verstehen?, und lenkte den Van aus der Einfahrt. Der größte Teil der Fahrt verging in Schweigen, nur ab und an machte einer von uns eine Bemerkung über die Stärke des Gewitters.
    Schon als wir in den langen Zufahrtsweg einbogen, spürte ich den typischen Adrenalinstoß, den ich immer hatte, wenn eine Geisterjagd bevorstand – teils war es Jagdfieber, teils die Herausforderung des Kontakts und teils die Genugtuung, einem gefangenen Geist beim Übergang zu helfen.
    Als das Haus in Sicht kam, sah ich etwas Seltsames. Auch Gilley bemerkte es und kam mir mit seiner Frage zuvor: »Was ist denn das für ein Auto?«
    »Keine Ahnung. Ich hoffe, Steven hat nicht beschlossen, Verstärkung mitzubringen.«
    »Verstärkung? Woraus sollte die bitte bestehen?«
    »Guter Punkt«, sagte ich und betrachtete das Auto genauer, während wir uns danebenstellten. Niemand saß darin. Aber im Haus brannten ein paar Lichter.
    Gil stellte den Motor ab und wartete, bis Steven ebenfalls geparkt hatte, ehe wir ausstiegen und uns unter das Vordach retteten. »Wer ist das?«, fragte ich Steven und schüttelte mir den Regen von den Kleidern.
    »Maria.«
    »Die Haushälterin?«
    Steven nickte.
    Gil fragte: »Was macht sie hier?«
    »Ich weiß es nicht.« Steven probierte die Türklinke. Es war offen. Wir traten in den Flur.
    »Maria?«, rief Steven.
    Nach ein paar Augenblicken hörten wir von irgendwo im ersten Stock ein »Komme!«, und gleich darauf erschien auf dem oberen Treppenabsatz eine hübsche ältere Frau mit schwarzem Haar und braunen Augen. In der einen Hand trag sie ein Buch und einen blauen Mohairschal, mit der anderen hielt sie sich auf dem Weg nach unten am Geländer fest.
    »Steven!«, rief sie, sobald sie ihn erblickte. »Damit habe ich ja überhaupt nicht gerechnet! Was machst du hier? Wie geht’s dir?« Mit merklichem Hinken lief sie auf ihn zu und breitete die Arme weit aus, um ihn herzlich an sich zu drücken.
    Er erwiderte die Umarmung. »Mir geht es gut. Was machst du hier?«
    »Ach, hole ein paar persönliche Sachen ab.« Leichte Röte stieg ihr in die Wangen. »Nach Andrews Tod war ich so durcheinander, es ging mir überhaupt nicht gut. Deshalb bin ich nicht so schnell dazu gekommen. Der Schal hier ist von meiner Großmutter.« Sie hielt den Schal ausgebreitet in die Höhe. »Ich wollte ihn holen, bevor du das Haus verkaufst.«
    »Wer sagt, dass ich es verkaufe?«, fragte Steven.
    »Du willst es behalten? Ach, das ist ja wunderbar! Oh, Steven, Andrew würde sich unendlich freuen!«
    »Danke. Wie geht es deiner Hüfte? Ich finde, du hinkst stärker.«
    Sie winkte ab. »Nein, eigentlich geht es ihr viel besser, seit ich nicht mehr täglich diese Treppen steigen muss. Nur wenn’s regnet, tut sie ein bisschen weh.«
    Steven nickte. »Könnte Arthrose sein. Solche alten Verletzungen sind

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