Rendezvous um Mitternacht
stehen und bückte sich. Stevens Hand schloss sich fester um meine Schulter. Plötzlich flackerte dort vorn ein Licht auf, sodass im Display nichts mehr zu erkennen war. Ich blinzelte und blickte sofort an der Kamera vorbei. Dort vorn im Lichtkreis war nicht mehr als eine kauernde Gestalt zu erkennen, die von uns abgewandt war. Ich ließ die Kamera sinken, und wir schlichen auf das Licht zu, bis Steven mir auf die Ferse trat und mir ein leises Keuchen entschlüpfte.
Sofort ging das Licht aus. Wir standen im Stockfinstern. Eilig hob ich die Kamera und blickte durch den Sucher, aber alles, was ich sah, waren die Beine des Eindringlings, der eine Treppe am Ende des Ganges hinaufhastete.
»Stopp!«, schrie Steven. Wir rannten los, da wir sowieso bemerkt worden waren. »Wer sind Sie?«
Da wurde es vor uns auf einmal gleißend hell. Wir mussten anhalten und die Augen abschirmen. Im nächsten Moment hörten wir eine Tür knallen, und wieder umgab uns völlige Finsternis. »Hallo!«, rief Steven noch einmal, aber es kam keine Antwort. Wir waren allein. »Steven«, drängte ich, »mach die Taschenlampe an, wir müssen ihm nach!«
Im selben Moment, als Steven die Taschenlampe anknipste, explodierte etwas mit ohrenbetäubendem Krachen; es war, als schlüge neben uns der Blitz ein. Eine Druckwelle warf uns zu Boden. Ich landete auf Steven, der sich sofort über mich rollte und mit seinem Körper deckte, während Steine und Staub auf uns herabregneten – und dann kam das Wasser.
Als wir uns aufgerappelt hatten, stieg das Wasser schon über unsere Fußknöchel.
»Der Pool!«, schrie ich. »Er hat den Pool gesprengt!«
Steven packte mich am Arm und zerrte mich hinter sich her zu der Treppe. Oben angekommen, zeigte uns der Strahl der Taschenlampe eine dicke Holztür. Steven drückte die Klinke hinunter, aber sie war fest verschlossen. »Verdammt!«, fluchte er, lief einige Stufen hinunter, holte Schwung und warf sich mit der Schulter gegen das Holz. Die Tür bebte, aber sie hielt stand. »Der Mistkerl hat uns hier eingeschlossen!«, brüllte er und hämmerte mit der Faust dagegen.
Ich schloss mich ihm an, und eine Weile hämmerten wir beide und schrien um Hilfe. Dann drehte ich mich um und leuchtete nervös die Treppe hinunter. Ich sah, dass die zweitunterste Stufe schon langsam in der anströmenden Flut versank. »Was machen wir jetzt?«, fragte ich, bemüht, nicht panisch zu klingen.
Zur Antwort warf sich Steven noch einmal gegen die Tür, aber sie gab nicht nach. Einen Moment lang stand er stumm da und rieb sich die Schulter. Dann schien er einen Entschluss zu fassen. »Wir gehen zurück.«
»Wh.s?!«
»Bist du gut im Rückenschwimmen, M.J.?« Und schon war er auf dem Weg die Treppe hinunter, packte meine Hand und zog mich mit.
»Aber Steven!«, kiekste ich, in dem knietiefen Wasser angekommen. »Da ertrinken wir doch!«
»Vielleicht«, sagte er über die Schulter. »Aber wenn wir hier bleiben, ertrinken wir ganz sicher. Der Pool hat olympische Maße und ist fast fünf Meter tief. Damit kann man zwei solcher Gänge füllen!«
»Shit!«, stieß ich aus und konzentrierte mich darauf, die Taschenlampe ruhig zu halten, die ständig in Gefahr war, nass zu werden, während wir durch das steigende Wasser pflügten. »Schlimmer kann’s nicht kommen, oder?«
Da ging wie aufs Stichwort die Taschenlampe aus. »Anscheinend doch«, hörte ich Steven sagen.
10
Ich watete an der Gangwand entlang durch die Finsternis, bis das Wasser mir nach viel zu kurzer Zeit über die Brust ging und ich gezwungen war zu schwimmen. Ich versuchte, die Panik in mir niederzukämpfen. Neben mir spürte ich Steven, der mich regelmäßig am Pullover zupfte, um sicherzugehen, dass ich auf einer Höhe mit ihm blieb. Meine keuchenden Atemzüge wurden von den Wänden zurückgeworfen, und bald konnte ich die Decke dicht über meinem Kopf ahnen. Mir war klar, dass wir nur noch wenig Zeit hatten. »Steven«, stieß ich hervor, während ich tapfer weiterschwamm.
Er zupfte mich am Pullover. »Ich bin hier.«
»Wir schaffen das nicht!«
»Wir müssen den Brecher erreichen«, sagte er. Für jemanden, der kurz vorm Ertrinken stand, klang er erstaunlich ruhig.
Einen Augenblick versuchte ich fieberhaft, seine Worte zu kapieren. »Was für einen Brecher?«
»Im Pool«, gab er zurück. Seine Stimme füllte den kleinen Raum, den unsere Köpfe noch hatten. »Das Loch, weißt du.«
»Bresche!«, keuchte ich zwischen zwei Schwimmzügen.
»Ja, egal«,
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