Rendezvous um Mitternacht
sagte er. »Wenn das Wasser die Decke erreicht, wird es aufhören hereinzukommen, und wenn das Loch groß genug ist, können wir in den Pool auftauchen.«
»Wir können einfach so durch das Loch schwimmen?« Ich bekam wieder etwas Hoffnung.
»Ja. Außer der Pool stürzt über uns ein. Dann ist … wie sagt man … der Ofen im Schacht.«
Ich verdrehte die Augen. »Wie viel Zeit haben wir noch, was glaubst du?« Ich hatte schon ganz müde Arme und Beine.
»Ich weiß nicht, also musst du so schnell schwimmen wie möglich, okay?«, sagte er und zog mich vorwärts.
Ich schluckte und verwandte nun meine ganze Kraft aufs Schwimmen. Als ich mit der Hand mühelos die Decke berühren konnte, erreichten wir zum Glück die scharfe Biegung. »Schneller!« Steven zog mich im Dunkeln durch den Engpass. Dahinter herrschte dämmriges Licht, und zwanzig Meter vor uns sahen wir durch ein etwa einen Meter breites Loch in der Decke das Wasser einströmen. »Wir sind fast da!«, rief Steven, und wir legten für den Endspurt noch einen Zahn zu. An dem Loch angekommen, traten wir Wasser, während der Gang sich stetig weiterfüllte.
»Und jetzt?«, fragte ich.
Steven schwamm hinter mich und packte mich um die Taille. Schwer atmend vor Anstrengung sagte er: »Wir müssen warten, bis der Gang ganz voll ist. Dann schwimmen wir durch das Loch und klettern, so schnell es geht, aus dem Pool. Der Rest des Bodens kann jeden Moment einstürzen, also lauf nicht darauf. Schwimm zum Rand und zieh dich raus.«
Ich nickte und wartete stumm die letzten Sekunden ab, in denen das Wasser noch stieg. Wir versuchten, so nahe wie möglich am Loch zu bleiben. Schließlich nahmen wir, die Nasen an der Decke, einen letzten tiefen Atemzug, manövrierten uns unter das Loch und warteten darauf, dass der Druck sich ausglich, damit wir hindurchschwimmen konnten. Die Sekunden verstrichen, mein Herz drohte meine Brust zu sprengen, da spürte ich, wie Steven mich kräftig vorwärtsschob, hinein in das Loch.
Mit aller Kraft schwamm ich nach oben aus dem Gang in den Pool hinein. Noch ein paar Züge, und ich durchbrach die Wasseroberfläche, gerade als ich dachte, meine Lungen müssten platzen. Gierig sog ich in tiefen Zügen die Luft ein – da bemerkte ich, dass Steven noch nicht da war.
Unter mir erkannte ich das Loch, und darin schien er festzusitzen. Alarmiert holte ich nochmals tief Luft und tauchte zu ihm hinunter. Er schien an seinem Gürtel zu zerren. Dann sah ich, dass er sich hinten an einem scharfen Metallzacken verhakt hatte, der aus dem Beton ragte. Ich drückte seine Hüfte nach unten und machte mich hastig daran, den Gürtel von dem Zacken zu lösen. Ich brauchte mehrere Versuche, aber schließlich bekam ich ihn frei. In diesem Moment fühlte ich Steven erschlaffen.
Ich drehte mich um, hakte ihm meine Arme unter die Achseln und stieß mich mit den Beinen ab. Wir bewegten uns ein paar Millimeter nach oben. Meine Lungen schrien nach Luft, und mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren. Die Wasseroberfläche schien noch Hunderte von Metern entfernt zu sein. Der Boden des Pools hingegen war eine Armlänge unter uns. Ich löste einen Arm von Steven und ließ mich wieder sinken. Am Boden entlang brachte ich uns so weit wie möglich weg von dem Loch, dann ging ich in die Hocke und stieß mich mit aller Kraft vom Boden ab. Wir Schossen ein ganzes Stück in die Höhe, und mit den Beinen und einem Arm rudernd tauchte ich mit ihm auf. Keuchend versuchte ich Stevens Kopf über Wasser zu halten. Ich wusste nicht, ob er überhaupt in der Lage war, Atem zu holen, aber darum konnte ich mich jetzt noch nicht kümmern. Ich verlagerte mich auf die Seite, hielt ihn weiter mit einem Arm fest und schleppte ihn ans flache Ende des Pools. Endlich bekam ich Boden unter die Füße, und ich schleifte Stevens schlaffen Körper weiter, bis mir das Wasser nur noch über den Knöchel ging. Am tiefen Ende des Pools hörte ich ein lautes Knirschen: der Boden schien bereits nachzugeben und konnte jeden Moment einstürzen.
Schwer atmend und völlig erschöpft zog ich Steven zur Leiter, wobei ich versuchte nicht darüber nachzudenken, dass seine Lippen sich bläulich verfärbt hatten. Hastig kletterte ich aus dem Pool, legte mich auf den Bauch und packte ihn unter den Schultern. Mit der Kraft der nackten Verzweiflung zog ich ihn hoch. Er war nahe daran, mir aus den Händen zu rutschen, da kam aus dem Loch ein weiteres Knirschen. Mit einem mörderischen Ächzen hievte ich ihn über den
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