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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Laurie
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den Augen zwischen den Bäumen nach dem Pfad. »Bei Tag sollten wir ihm auch allein folgen können«, überlegte ich.
    »Wir können aber auch etwas anderes tun«, sagte Steven. Sein Blick ruhte auf dem Rasenstück zwischen uns und dem Haus. Ich sah ebenfalls hin und bemerkte im Boden eine leichte Senke, die von der Wand der Poolhalle in gerader Linie wegführte, kurz vor dem Waldrand scharf abknickte und dann im Wald verschwand.
    »Hier entlang«, sagte Steven.
    Auch im Wald war die Senke zu ahnen, aber das Unterholz erschwerte es, ihr zu folgen. Wir suchten auf gut Glück in der Richtung, in der wir den Gang vermuteten, und blickten zur Orientierung immer wieder zum Haus zurück. Aber das Unterholz wurde immer dichter, und das Ende des Ganges samt Tür war nirgends zu sehen.
    Ich kratzte mich am Kopf. »Können wir wirklich so falschliegen?«
    Die Hände in die Hüften gestemmt, ließ Steven den Blick durch den Wald wandern. »Hier muss etwas sein«, brummte er – und plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »M.J.«, rief er aufgeregt, »dort, schau!«
    Ich blickte seinem ausgestreckten Finger nach. Nicht weit entfernt blinkte hinter einem Baum ein Bächlein auf. Steven ging darauf zu, und ich folgte ihm. Und tatsächlich, als wir um den Baum herumtraten, sahen wir, dass in den Stamm auf geschickte Weise eine schmale Tür eingebaut war. Unter dieser Tür sprudelte Wasser hervor, das ringsherum schon den ganzen Boden aufgeweicht hatte.
    »Krass«, sagte ich und drückte versuchsweise die Klinke. Die Tür war verschlossen.
    »Komm.« Steven entfernte sich von der Tür. »Wohin die führt, wissen wir. Aber nicht, wohin dieser Pfad da führt.«
    Ich drehte mich überrascht um und sah, dass das Bächlein einen Pfad entlangfloss, der an dem Baum begann. Das Wasser hatte sich den Weg des geringsten Widerstands gesucht. Ein paar Meter weiter versickerte es nach und nach oder lief seitlich ab, und der trockene Pfad blieb übrig.
    Wir wanderten mindestens eine halbe Meile, bis wir plötzlich vor einer kleinen Blockhütte standen, die dicht von Bäumen umgeben war.
    »Wo sind wir?«, fragte ich, als wir auf einen kleinen Fußweg einbogen, der zur Tür des Häuschens führte.
    Steven sah sich gründlich um. »Ich denke, das ist das Haus von Willis.«
    »Dem Gärtner?«
    »Ja.« Steven hob die Hand, um anzuklopfen. »Das muss das Häuschen sein, das mein Großvater letztes Jahr für ihn hat bauen lassen.«
    Ich senkte die Stimme. »Warum ist er uns bisher nicht über den Weg gelaufen?«
    Ohne zu antworten, grinste Steven mich an und klopfte dreimal sehr laut. Wir hörten drinnen jemanden rufen, und als wir die Tür öffneten, wurde mir klar, warum wir Willis noch nicht gesehen hatten.
    »Steven!«, rief ein gebrechlich wirkender Schwarzer im Rollstuhl, als wir eintraten.
    »Hallo, Willis.« Steven trat zu ihm und ging neben dem Rollstuhl in die Hocke. »Wie geht es deinem Bein?«
    »Oh, ganz gut.« Willis drückte Steven die Hand. »Die Sache mit Diabetes ist, man darf sich nicht davon unterkriegen lassen.« Er lachte.
    Ich bemerkte, dass Willis das rechte Bein auf einem Hocker vor dem Rollstuhl hochgelegt hatte.
    »Darf ich es mir mal anschauen?« Steven wandte sein Augenmerk dem Bein zu.
    »Ihr Ärzte seid doch alle gleich«, sagte Willis. »Vor einer Stunde war dein Vater da, weißt du, und hat auch schon einen Riesenwirbel darum gemacht.«
    Steven zögerte einen winzigen Moment. »Mein Vater war da?«
    »Oh ja. Seit Andrew von uns gegangen ist, kommt er immer mal wieder her und schaut nach mir. Ja, ich weiß, ihr beide kommt nicht gut miteinander klar, aber ich sag dir, dein Vater ist ein guter Mann. Wir haben uns schon verdammt gut unterhalten, er und ich.«
    »Ach, wirklich.« Ich konnte sehen, dass Stevens Rücken sich spannte.
    »Oh ja. Er hat auf mich eingeredet, dass ich doch nach Jamaica Piain zu meiner Tochter ziehen soll, erinnerst du dich an sie?« Willis deutete auf einige Fotos auf dem Kaminsims.
    »Ja, ich erinnere mich. Wie geht es ihr?«, fragte Steven.
    »Großartig. Sie ist Krankenschwester, weißt du. Arbeitet zufällig im gleichen Krankenhaus wie dein Vater. Ich würde ja schon gern zu Janelle ziehen, aber ich finde, man sollte seinen Kindern nicht zur Last fallen. Tja, deshalb versucht dein Vater mich eben wieder auf die Beine zu bringen. Er hat da wohl so ein neues Medikament entwickelt, das so alten Männern wie mir helfen könnte. Er meint, vielleicht kommt’s sogar dazu, dass ich wieder laufen

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