Rendezvous um Mitternacht
kann.«
Steven sah Willis fest an. »Kommt mein Vater regelmäßig her?«
Sinnend neigte Willis den Kopf und dachte einen Augenblick nach. »Ich würde sagen, in den letzten Monaten alle paar Tage.«
»Freut mich«, sagte Steven gepresst und stand auf. Er setzte sich aufs Sofa und klopfte auf den Platz neben sich, damit ich mich auch setzte. »Hör zu. In der Jagdhütte ist gerade etwas passiert.«
»Oh, war es das, was ich vor ein, zwei Stunden gehört habe? Da hatte ich ein Nickerchen gehalten, und auf einmal dachte ich, es donnert, aber es war keine Wolke am Himmel.«
Steven nickte und erklärte Willis, was uns zugestoßen war. Während er redete, hatte ich Zeit, mich umzuschauen. Das war eine waschechte Blockhütte mit einem Boden aus dicken Holzbohlen und offenem Dachstuhl. Ein gemauerter Kamin war der Schmuck des Wohnzimmers, das in eine zweizeilige Küche überging.
Dann fiel mein Blick auf einen kleinen Tisch am vorderen Fenster, auf dem eine angefangene Schachpartie stand. Noch während ich das Brett betrachtete, begann plötzlich mein Radar zu summen. In meinem Kopf bildete sich der Buchstabe A, und etwas wie a .. xlrevo hallte in mir wider.
Ich stieß Steven den Ellbogen in die Rippen. Er verstummte und drehte sich zu mir. »Was ist?«
Ich wies auf das Schachbrett. »Schau.«
Kaum hatte Steven das Brett in Augenschein genommen, da sahen wir ganz deutlich, wie eine der schwarzen Figuren sich in Bewegung setzte und eine der weißen Figuren schlug. Währenddessen spürte ich am Rande meines Bewusstseins so etwas wie Triumph. »Er sagt: ›Ich gewinne‹«, erklärte ich und stand auf, um mir das näher anzuschauen.
Hinter mir hörte ich ein Kichern und dann das Knarren des Rollstuhls. Willis kam zu mir gerollt und stellte sich auf die andere Seite des Tischchens. »Tja, da schau an«, sagte er. »Schachspielen kann der Alte noch ausgezeichnet.«
Ich verstand überhaupt nichts von Schach, aber Steven war neben mich getreten. »Schach und Matt«, bekundete er.
»Andrew ist hier«, flüsterte ich.
»Sicher ist er hier«, sagte Willis. »Hat fast jeden Tag seinen Zug gemacht, seit er tot ist.«
In einer Mischung aus Schock und Staunen drehten Steven und ich uns zu ihm um. »Hat er jemals mit Ihnen gesprochen?«, fragte ich. Manchmal gelang einem untrainierten Laien ein weitaus besserer Kontakt als jedem erfahrenen Medium.
»Gesprochen? Sie meinen, ob wir uns unterhalten haben?«
»Ja.«
»Na klar. Aber was das Reden anging, das war ganz meine Sache, und seine das Zuhören. Ich kann spüren, wenn er da ist – er kommt jeden Tag etwa um diese Zeit. Wissen Sie, so wurde mir damals klar, dass was passiert sein musste. Weil wir eine Schachpartie am Laufen hatten und Andrew nicht auftauchte. Ich hab’s kaum glauben können, als ich gehört hab, wie er gestorben ist.« Willis bekam feuchte Augen.
»Wir können es auch nicht glauben«, sagte Steven. Er wandte sich an mich. »M. J., kannst du zu ihm Kontakt aufnehmen?«
»Ich Versuchs gerade«, gestand ich. Schon einige Sekunden lang rief ich nach Andrew, in der Hoffnung, er werde mich beachten, aber er ließ sich nicht dazu herab. Da kam mir eine Idee. »Willis«, sagte ich, »könnten Sie mir einen Gefallen tun?«
»Was denn?«, fragte er.
»Könnten Sie Andrew bitten, mit mir zu reden? Ich bin hier, um ihm zu helfen, seine Lage zu begreifen.«
Da betrachtete Willis mich zum ersten Mal genauer. »Wer sind Sie eigentlich?«
Steven wurde ein wenig rot. »Verzeihung«, sagte er zu mir und Willis. »Entschuldigt meine schlechten Manieren. Willis, das ist M.J. Holliday. Sie ist hier, um herauszufinden, was meinem Großvater zugestoßen ist. Sie ist Expertin darin, mit Leuten wie ihm zu sprechen, mit Leuten, die nicht dorthin finden, wo sie hingehören.«
»Du meinst, sie kann mit Geistern reden«, sagte Willis rundheraus.
»Ja.«
»Wozu braucht sie dann mich?«
Ich übernahm es zu antworten. »Weil Andrew mich vielleicht erst dann wahrnehmen kann, wenn Sie ihn auf mich aufmerksam machen. Wissen Sie, ich vermute, er steckt in seiner täglichen Routine fest. Sie kann er sehen und kann auf Sie reagieren, aber es könnte sein, dass er in seinem verwirrten Zustand nicht willens ist, etwas außerhalb seiner gewohnten Denkmuster wahrzunehmen. Ich glaube, ihm ist gar nicht klar, dass er tot ist, Willis.«
Willis hörte mir aufmerksam zu und schien sich meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen. »Alles klar«, sagte er nach einem Moment. »Was soll ich
Weitere Kostenlose Bücher