Rendezvous um Mitternacht
bereits Nebenbuhler?«
Ich setzte mich lachend zu ihm. »Härchen. Von Haar, nicht von Herr.«
»Haar? Aber das ergibt keinen Sinn. Warum soll ich deine Haare nicht krümmen, wo sie sich so schön anfühlen?«, raunte er verführerisch.
Mit strengem Blick wich ich ein Stückchen zur Seite. »Lass uns einfach unseren Whisky trinken und ein bisschen reden, okay?«
Er zwinkerte mir zu. »Ich wüsste ja etwas, das mehr Spaß macht.«
»So, so«, meinte ich unbestimmt. »Ach übrigens, was diese kleine Besitzfrage angeht, die deinen Vater so interessiert: Hast du irgendeine Idee, warum ihm dein Land hier so wichtig sein könnte?«
»Nein. Von allen Immobilien meines Großvaters scheint diese den geringsten Wert zu haben. Sicher, es ist viel Land, aber nicht annähernd so wertvoll wie einige seiner anderen Grundstücke.«
»Wusstest du, dass dein Großvater dir das Land nur auf Lebenszeit vermacht hat?«
Steven nickte. »Eigentlich ja.«
Ich sah ihn fragend an. »Aber?«
»Aber ich habe es nicht so richtig begriffen. Ich war in Deutschland, als der Anruf von seinen Anwälten kam, und war noch so betäubt von der Todesnachricht, dass mein Gehirn nicht ganz mitkam, als sie mir die Details durchgaben. Ich habe die Bedeutung erst verstanden, als Gilley vorhin davon sprach.«
»Verstehe. Okay, jetzt die Millionenfrage: Glaubst du, dein Vater will dich umbringen?«
Endlich war ausgesprochen, was mir schon die ganze Zeit keine Ruhe ließ. So sehr mir klar war, dass ein Steven den anderen ablehnte, so wenig konnte ich mir vorstellen, dass ein Vater deswegen seinen eigenen Sohn umbringen wollte.
Sehr lange saß Steven da und starrte in seinen Whisky. Dann nahm er einen Schluck und sagte, ohne mich anzusehen: »Er war schon immer ein Mann, der vor nichts haltmacht, wenn er etwas haben will.«
Meine Brust war wie zugeschnürt. »Mit anderen Worten, jetzt, wo wir wissen, dass er ein Motiv hat, müssen wir uns besonders gut überlegen, welche Gänge und Wege wir im Dunkeln einschlagen, hm?«
»Ich würde sagen, ja.«
»Dann lass mich die nächste Frage stellen, die mich beschäftigt …«
Steven fiel mir ins Wort. »Die Antwort ist die gleiche, M. J. Er ist der Typ Mann, der vor nichts haltmacht, um zu bekommen, was er will. Er würde selbst seinen eigenen Vater vom Dach stoßen.«
Es wurde still im Zimmer. Ich hätte gern etwas Tröstendes gesagt, aber mir fiel nichts ein. Als ich fast schon mit dem unverfänglichen Thema Wetter anfangen wollte, sagte Steven: »Ich denke, es ist Zeit, sich auf die Ohren zu hauen.«
»Aufs Ohr«, korrigierte ich, aber er schien es nicht zu hören. Er war schon aufgestanden und halb auf dem Weg zur Tür.
»Wir sehen uns morgen früh?« Es war eher eine Frage als eine Feststellung.
Ich lächelte ihn mitfühlend an. »Ja. Schlaf gut, Steven, und vielen Dank fürs Betthüpfen.«
12
Ich erwachte früh am nächsten Morgen und konnte keine Minute länger liegen bleiben. Also schlich ich mich nach unten und linste kurz in die Küche, um Helen, die bereits Teig rührte, einen guten Morgen zu wünschen.
»Sie gehen laufen?«, fragte sie mich.
»Ja, aber ich schaue, dass ich rechtzeitig zurück bin, um ein paar von Ihren leckeren Pfannkuchen zu verdrücken.«
»Gut zu wissen.« Sie lächelte. »Mag Doc Blaubeeren?«
Ich lachte. »Ist der Wald grün? Dieses Vieh frisst alles, was auch nur entfernt wie Obst aussieht, außer Ananas. Die mag er nicht, warum auch immer.«
»Dann lege ich ihm ein paar in eine Schale, und Sie können sie ihm nachher geben.«
»Danke, Helen. Bitte, sagen Sie doch den Jungs, dass ich laufen bin, falls sie aufwachen, bevor ich wiederkomme?«
Ich ging nach draußen und machte ein paar halbherzige Dehnübungen. Kaum war ich damit durch, überquerte ich die Straße und fiel in Trab.
Für mich gibt es nichts Besseres als eine gute Runde Jogging, vor allem an einem klaren Frühlingsmorgen, wenn die Luft noch frisch ist und das Gras schwer vom Tau. Auf den ersten paar Hundert Metern stach und schmerzte noch alles, aber als erst mal alle Muskeln und Gelenke aufgewacht waren, kam ich so richtig in Schwung und fing an, Leistung zu bringen.
Ich schlug ungefähr die gleiche Richtung ein wie am vorigen Tag, fragte mich aber, ob es eine gute Idee war, die Straße zu nehmen, wo ich Stevens Auto vor dem niedlichen Häuschen einer gewissen Kellnerin gesehen hatte. Beim Loslaufen war mir völlig entgangen, ob sein Auto vor dem B & B stand – ich war mit den Gedanken
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