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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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es
dauern, bis alle Bewohner in ihren Quartieren sind?«, fragt Gavin, und mir ist
klar, was er denkt: Das ist unsere Chance. Wenn wir fliehen wollen, dann muss
es jetzt geschehen, solange in der Stadt noch Chaos herrscht.
    Â»Wahrscheinlich
nicht länger als eine Viertelstunde.«
    Â»Dann sollten wir
uns beeilen.«
    Bevor er
verschwindet, um sich umzuziehen, wirft er mir noch etwas aus dem
Kleiderschrank zu. Verwirrt mustere ich das Stoffbündel – es ist ein Kleid. Da
wird mir erst bewusst, dass ich nichts anhabe. Mit einem beschämten Lachen sehe
ich mir das Kleid genauer an. Na, hoffentlich müssen wir nicht wieder über
Leitern klettern.
    Das erinnert mich an
meine verletzte Schulter. Ein kurzer Blick verrät mir, dass frisches Blut durch
den feuchten Verband gesickert ist. Ich wünschte, ich könnte mir einen neuen
anlegen, aber dazu fehlt uns die Zeit. Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe.
Lasse ich den alten Verband drauf, könnte sich die Wunde entzünden. Nehme ich
mir die Zeit, ihn zu wechseln, könnten wir dadurch die Chance verpassen, zur
großen Röhre und unbemerkt aus dem Sektor zu kommen.
    Gavin kommt zurück,
er hat sich bereits meinen Rucksack aufgeladen. Seine Miene ist absolut undurchdringlich.
Ob er wohl so aussieht, wenn er jagen geht? Es ist gleichzeitig sexy und Furcht
einflößend. Auch er mustert kurz den Verband, doch dann huscht sein Blick
davon, und er fixiert einen Punkt irgendwo über meinem Kopf. Da fällt mir
wieder ein, dass ich ja nichts anhabe. Sofort verschränke ich schützend die
Arme vor der Brust.
    Â»Um deine Wunde
kümmern wir uns, wenn wir in diesem anderen Sektor sind. Aber jetzt sollten wir
uns beeilen«, erklärt er schließlich.
    Ich nicke. Dann
ziehe ich das frische Kleid an, streife es mit einem schmerzerfüllten Zischen
über die wunde, steife Schulter und folge Gavin aus der Wohnung und bis zu dem
verborgenen Zugang, der uns zum Großen Platz zurückbringt. Von dort aus müssen
wir dann zum Röhrenbahnhof. Doch als wir vorsichtig den Durchgang in der Mauer
öffnen, bin ich doch überrascht, dass vor dem Zugang keine Wachen postiert sind
– andererseits hat auch die Vollstreckerin beschlossen, dass ich nicht hier
bin, und den Sektor verlassen. Und das ist bereits einige Stunden her.
    Â»Warte, Evie.« Gavin
legt mir eine Hand auf die gesunde Schulter, damit ich nicht einfach durch den
Zugang hinausstürme. »Wenn Mutter entdeckt hat, dass du Macies Verpaarungszeug
geregelt hast, dann hat sie uns doch bestimmt auch wieder aus dem System genommen,
oder?«
    Ich schenke ihm ein
verschlagenes Lächeln. »Nein. Die Masterdatei ist jetzt schreibgeschützt.«
    Einen Augenblick
lang starrt er mich fassungslos an, dann lacht er befreit. »Das muss wie Salz
in ihrer Wunde sein. Trotzdem sollten wir besser nicht trödeln.« Eilig schieben
wir uns durch die Maueröffnung; draußen wende ich mich sofort nach links. Und
wieder hält Gavin mich zurück. Stirnrunzelnd fragt er: »Zur großen Röhre geht
es doch da entlang, oder nicht?« Er zeigt nach rechts.
    Blinzelnd sehe ich
mich um, und es dauert ein paar Sekunden, bis ich antworten kann. »Ja,
natürlich. Tut mir leid, für einen Moment hatte ich die Orientierung verloren.«
    Er wirft mir noch
einen prüfenden Blick zu, zuckt schließlich aber nur mit den Schultern. Dann
mischen wir uns unauffällig unters Volk, ziehen die Köpfe ein und hoffen, dass
uns niemand erkennt. Zum Glück wird mein blutiger Verband von meinem Ärmel verdeckt.
    Doch wir müssen uns
keine Sorgen machen: Die Leute um uns herum sind viel zu sehr damit beschäftigt,
sich flüsternd über die Morde auszutauschen. Sie sehen sich nicht einmal um.
Fast wirkt es so, als hätten sie Angst, sie könnten uns entdecken.
    Wir folgen der Menge
in Richtung der Wohngebiete und schließen uns dann einer kleineren Gruppe an,
die zum Bahnhof geht, der inzwischen wieder in Betrieb genommen wurde. Nur die
Blutflecken erinnern noch an die Ereignisse von vor wenigen Stunden. Dann
spalten wir uns in einem unbeobachteten Moment ab und schleichen in einen
leeren Waggon mit Ziel Sektor Drei. Ich habe keine Vorstellung von dem, was uns
dort erwartet, aber möglicherweise spielt es sowieso keine Rolle. Wenn Mutter
uns mithilfe der Kameras beobachtet, reagiert sie so oder so, unabhängig davon,
ob Unschuldige in der Nähe

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