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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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vielleicht
kann ich es noch einmal gebrauchen. Dann ziehe ich einen Rock und ein Shirt
über, beides in Schwarz. Sie sind locker genug, um sich bequem darin zu bewegen,
aber nicht so weit, dass sie im Kampf hinderlich wären. Ich ziehe den Rock
zurecht, halte dann aber abrupt inne. Im Kampf? Und was
genau würde ich bitte in einem Kampf tun? Den Feind zu Tode düngen?
    Erst als ich mich
aufrichte, um Gavin zu sagen, dass er sich wieder umdrehen kann, entdecke ich
den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Und darin Gavins grinsendes
Gesicht. Wer bringt denn schon im Keller eines Varietés einen Spiegel an?
    Â»Du hättest mir auch
sagen können, dass der da hängt«, schimpfe ich und versuche, nicht rot anzulaufen.
    Â»Wo bleibt denn da
der Spaß?« Er dreht sich um und sieht mich nun direkt an. »Außerdem habe ich
nichts gesehen. Ich habe nämlich die Augen zugemacht. Fast die ganze Zeit
über.« Wieder grinst er breit.
    Ich verdrehe die
Augen, setze mich dann aber wieder hin und klopfe neben mir auf den Boden. »Wir
müssen uns überlegen, wie wir jetzt weitermachen – schließlich können wir nicht
einfach hierbleiben. Irgendwann kommt jemand hier runter, und dann sind wir
erledigt.« Gavin scheint etwas zu beschäftigen, also halte ich inne.
    Â»Was ist eigentlich
mit der Beleuchtung hier los?«, fragt er schließlich.
    Â»Wie bitte?«
    Â»Die Beleuchtung.
Überall, wo du mich hingebracht hast, war es dunkel, oder das Licht war trüb.
Nur im Palasttrakt, in diesem Gefängnis und auf dem Großen Platz gab es
normales Licht. Ich komme mir langsam vor wie in einem Gruselfilm.« Er
schaudert kurz.
    Im ersten Moment bin
ich wütend, weil er mein Zuhause als gruselig bezeichnet, aber mein Ärger verfliegt
schnell. Immerhin habe ich vor seiner Welt auch furchtbare Angst, Neugier hin
oder her. Angeblich ist die Oberfläche die Hölle auf Erden: bevölkert von
Dämonen, die sich gegenseitig umbringen. Und großen Tieren, die einen im Schlaf
töten. Und Insekten, die sich in die Haut fressen, den Menschen als Wirt
missbrauchen und irgendwann seinen Verstand kontrollieren … Schnell schiebe ich
diese Gedanken beiseite. Gavin ist schließlich auch nicht der in Felle
gekleidete Wilde, als den ich mir einen Oberflächenbewohner ausgemalt habe. Und
was er mir in der Zelle von seiner Heimat erzählt hat, klang gar nicht so
schlecht. Außerdem ist klar, dass Mutter auch bei wichtigeren Dingen gelogen
hat. Da würde es mich nicht wundern, wenn ihre Darstellung der Oberfläche
ebenfalls eine Lüge war. Schließlich gäbe es kaum einen besseren Weg, um dafür
zu sorgen, dass die Leute die scheinbare Sicherheit von Elysium nicht verlassen wollen .
    Â»Unsere Bürger
finden sich von jeher an den besser beleuchteten Orten zusammen, und nachdem
die Vollstreckerinnen … notwendig geworden waren, dienten die Schatten noch
einem anderen Zweck. Nun sorgt Mutter dafür, dass alle Orte, an denen die Leute
sich nicht versammeln sollen, möglichst dunkel sind. Und dort, wo die Leute
sich aufhalten dürfen, ist es möglichst hell.«
    Â»Einfach, aber
wirkungsvoll«, stellt Gavin stirnrunzelnd fest. »Also … Wie kam es dazu, dass Mutter
zu eurem Oberhaupt wurde?«
    Â»Eigentlich eine
lange Geschichte … wir haben alles Mutter zu verdanken. Sie wollte während des
Krieges einen sicheren Ort schaffen, weit weg von den Bomben und den Kämpfen an
der Oberfläche. Zunächst heuerte sie einige der führenden Wissenschaftler an,
dann rekrutierte sie auch andere Leute, die hier unten leben sollten. Doch
jeder von ihnen musste dem Idealbild eines Menschen entsprechen.«
    Â»Aber den perfekten
Menschen gibt es nicht«, unterbricht mich Gavin und setzt ein schiefes Grinsen
auf. »Obwohl du verdammt nah dran bist.«
    Ich stütze eine Hand
in die Hüfte und lächele kokett. »Laut Mutters wissenschaftlicher Auswertung bin ich der perfekte Mensch.« Demonstrativ zupfe ich an
einer Haarsträhne. »Blonde Haare, blaue Augen, helle Haut. Die Testpersonen,
die sie damals angeworben hat, mussten sogar einen Intelligenztest und diverse
psychologische Untersuchungen absolvieren. Sie hat die Stadt anfangs nur mit
fünfzig Menschen besiedelt. Von ihnen stammen wir alle ab.«
    Â»Moment mal, Mutter selbst hat die Stadt gegründet?«
    Ich nicke.
    Â»Aber das ist
unmöglich!

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