Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
Vom Netzwerk:
ich mache einfach weiter, als hätte ich es
nicht bemerkt. »Achte darauf, dich in den Schatten zu halten. Dein Ziel liegt
hier.« Ich markiere den Eingang zum Wohnsektor mit einem großen X. »Wenn ich
kann, werde ich dort auf dich warten.« Schweigend zeichne ich auch noch den
Rest des Großen Platzes auf. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass die
Karte von Mutter korrekt ist, also muss ich mir die Zeit dafür nehmen. »Es ist
sehr wichtig, dass niemand deine Augen sieht – sie würden dich verraten. Und
was auch immer geschieht, sorge dafür, dass du hier ankommst. Hast du verstanden?«
    Gavin sagt nichts,
aber sein verkrampfter Kiefer und die Tatsache, dass er meinem Blick ausweicht,
verraten mir, dass er wütend auf mich ist. Ich unterdrücke die innere Stimme,
die mich davor warnt, und lege vorsichtig meine Hand an seine Wange, damit er
mich ansieht. »Bitte, versprich es mir.« Ich lasse die Hand sinken. »Was auch
immer geschieht, Gavin: Wenn sie dich erwischen, wird es keine weitere Chance
für uns geben.«
    Er seufzt schwer und
nickt dann. »Na gut«, sagt er knapp. »Aber nur für den Fall, dass wir getrennt
werden: Wie lange soll ich dort auf dich warten?«
    Â»Vierundzwanzig
Stunden. Wenn ich nicht nachkomme, bedeutet das, dass es mir körperlich unmöglich
ist. Dann bin ich eingesperrt, konditioniert oder …«
    Â»Getötet worden.«
    Mir klopft das Herz
bis zum Hals, doch meine Stimme ist ausdruckslos, als ich erwidere: »Vielleicht
tötet sie mich, weil ich mich ihr widersetzt habe, ja. Deswegen ist es so
wichtig, dass du dir den Stadtplan einprägst. Falls wir aus irgendeinem Grund
getrennt werden und ich nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden am
Treffpunkt zu dir stoße, wirst du allein nach einem Fluchttunnel suchen
müssen.«
    Schweigend starrt er
ein paar Minuten lang auf den Grundriss der Stadt. Als ich sicher bin, dass er
den Weg auswendig kennt, wische ich die Karte fort und sage: »Ich glaube nicht,
dass so etwas geschehen wird. Aber
Vorsicht ist stets oberstes Gebot.«
    Ich schlinge mir den
Rucksack über die Schulter und gehe zu der Tür, die nach draußen führt. Mit
angehaltenem Atem öffne ich sie und halte sie so lange offen, bis ich mich
versichert habe, dass niemand in der Nähe ist, der das Quietschen der Angeln
bemerken konnte. Ich signalisiere Gavin, mir zu folgen, und renne so schnell
wie möglich in die tiefen Schatten, die sich an der Mauer gegenüber
entlangziehen. Solange wir uns in der Dunkelheit halten und leise genug sind,
sollten wir eigentlich unbemerkt bleiben. Es sei denn, wir begegnen einer
Vollstreckerin. Was hoffentlich nicht passieren wird. Plötzlich spüre ich eine
Hand auf der Schulter, sehe mich um und muss lächeln – Gavin ist mir vollkommen
lautlos gefolgt. Da zeigt sich wohl seine Jagderfahrung. Ich muss zugeben, dass
ich beeindruckt bin.
    Langsam schleichen
wir an der Mauer entlang. Jeder Schritt scheint eine Ewigkeit in Anspruch zu
nehmen, aber wenn wir hektisch über etwas stolpern, nur weil wir nicht
nachgesehen haben, hätte das katastrophale Folgen. Hätte ich doch nur genügend
Zeit gehabt, um das alles sorgfältig zu planen, dann wäre Gavin jetzt sicher
schon auf dem Weg nach Hause. Aber nachdem ich alles improvisieren musste,
kauern wir jetzt in den Schatten und hoffen auf ein Wunder.
    Ich bin so in
Gedanken versunken, dass ich fast vor Schreck aufschreie, als Gavin meine
Schulter drückt. Ruckartig drehe ich mich um und werfe ihm einen finsteren
Blick zu, doch er legt nur einen Finger an die Lippen und deutet vorsichtig mit
dem Kopf nach links. Jetzt höre ich es. Schnelle Schritte. Sofort drücke ich
mich so fest gegen die Mauer, wie ich kann. Gavin folgt meinem Beispiel, und
atemlos sehen wir zu, wie einige Wachen an uns vorbeilaufen. Ich hoffe inbrünstig,
dass sie uns in den dunklen Schatten nicht bemerken. Oder dass die Wachen es
vermeiden wollen, zu tief in die Schatten vorzudringen, obwohl es eigentlich
ihre Pflicht wäre. Niemand begegnet gerne einer Vollstreckerin.
    Â»Eine Frau meint,
sie hätte die beiden vorne am Brunnen gesehen«, erklärt einer der Wächter
gerade. »Das bezweifle ich aber. Wenn er es geschafft hat, direkt vor Mutters
Nase die Tochter zu entführen, wird er ja nicht so blöd sein, sich nach dieser
Durchsage in der Öffentlichkeit zu zeigen.«
    Gavin

Weitere Kostenlose Bücher