Renegade
anfängt zu glühen. »Sie reagiert auf Bewegung«, erkläre ich
schlieÃlich. »Damit keine Munition auf tote Körper verschwendet wird. Sobald
das Zielobjekt zu Boden fällt, soll sie das Feuer einstellen. Da die meisten
Menschen in Panik geraten und fliehen, wenn auf sie geschossen wird,
funktioniert das System ganz gut.«
Gavin packt meine
Hand so fest, dass die Knochen zusammengequetscht werden. Als ich
schmerzerfüllt zische, verringert er den Druck. »Sorry«, murmelt er. »Also konnten
wir die Anlage nur austricksen, weil du wusstest, dass sie aufhören würde zu
schieÃen, wenn wir am Boden liegen.«
»Ganz genau. Jetzt
müssen wir nur noch abwarten, bis die Wachen ihre Durchsuchung abgeschlossen
haben, denn danach wird die Anlage vom Netz genommen, um gewartet zu werden,
und der Durchgang ist wieder frei. Und wir können uns wieder auf den Weg
machen. So einfach ist das.«
Gavin streichelt mit
dem Daumen meinen Handrücken. Das ist schön, aber irgendwie habe ich das
Gefühl, dass er es unbewusst tut. »Woher sollen wir wissen, dass nicht noch
eine Selbstschussanlage eine Fehlfunktion bekommt?«
Womit wir beim Kern
des Problems wären.
»Das können wir
nicht wissen. Wir werden einfach extrem vorsichtig sein müssen und immer die
Umgebung im Auge behalten. Sozusagen nach weiteren Fehlfunktionen Ausschau
halten.«
»Wie soll das denn
gehen?«
»In den öffentlichen
Bereichen befinden sich die Selbstschussanlagen in der Decke. Man erkennt sie
an den schwarzen Sensoren. Und die müssen wir eben sorgfältig beobachten.
AuÃerdem kann man ein Zischen hören, bevor sie losgehen.«
»Und wenn wir eine
sehen oder hören, werfen wir uns zu Boden.«
»Oder bringen uns
auÃer Reichweite der Sensoren, sodass wir weiterlaufen können.«
Gavin verfällt in
nachdenkliches Schweigen, und ich werde ein wenig müde. Es vergehen ein paar
Minuten, dann fragt er plötzlich: »Was bedeuten diese Schilder gegenüber
unseres Kartenhäuschens?«
»Die Achtung! Schienen nicht betreten, das starke Magnetfeld könnte
eure Nanobots beschädigen! -Schilder?« Gavin nickt, und ich fahre fort:
»Die Nanobots verhindern die Dekompressionskrankheit. Allen Bürgern werden sie
injiziert â mikroskopisch kleine Roboter, damit der Körper gesund bleibt.«
Zumindest dachte ich immer, dass sie dazu dienen, doch nachdem ich dieses
Tagebuch gelesen habe, zweifle ich sogar daran.
»Dekompressionskrankheit?«
»In dieser Tiefe
herrscht ein so hoher Druck, dass sich irgendwann Gase im Blut bilden«, erkläre
ich. »Die Nanobots sorgen dafür, dass diese Gase abgebaut werden. Sie stärken sogar
die Selbstheilungskräfte des Körpers. Ziemlich erstaunlich eigentlich. Du
würdest auch welche bekommen, wenn wir hierbleiben würden.«
»Und warum werde ich
dann nicht krank?«
»Das dauert ziemlich
lange; auÃerdem erhöht sich das Risiko, wenn man zu schnell geringerem Druck
ausgesetzt wird.«
»Ach so, du meinst
diese Taucherkrankheit.«
»Genau.«
Von drauÃen hören
wir Stimmen â die Wachen kommen näher, was bedeutet, dass sie fast fertig sind.
Wenn sie bereits den Sensorenbereich betreten, muss die Selbstschussanlage
schon vom Netz genommen worden sein. Jetzt werden sie nur noch überprüfen, ob
es weitere Leichen gibt, und dann wieder abziehen. Ich lege einen Finger an die
Lippen und deute auf die Fenster der Bude. Gavin nickt, dann schieben wir uns
so tief wie möglich unter den Tisch, damit man uns durch die Scheiben nicht
sehen kann.
»Hier drüben ist
alles klar«, ruft ein Wachmann. Es klingt, als stünde er direkt vor dem
Fahrkartenhäuschen.
Ein wenig weiter
entfernt erwidert eine junge, weibliche Stimme: »Keine Spur von den
Flüchtigen?« Eine Vollstreckerin.
»Nein.«
»Sehr gut. Geh
zurück und kümmere dich um die Verletzten.«
Es wird wieder still
im Bahnhof. Fast möchte ich mich vorsichtig vergewissern, ob alle weg sind, als
ich plötzlich Mutters Stimme höre: »Habt ihr meine Tochter gefunden?« Im ersten
Moment zucke ich erschrocken zusammen, weil ich glaube, sie müsste selbst hier
sein, aber dann höre ich, wie blechern ihre Stimme klingt â es ist nur ihr
Hologramm. Ich atme erleichtert auf.
»Nein, Mylady«,
antwortet die Vollstreckerin. »Nur eine
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