Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
Der Typ ist schmierig wie ’ne aufgeweichte Praline, völlig unfähig, einer Frau offen ins Gesicht zu sehen. In seinem Schlafzimmer wäre ich gerne mal Mäuschen – oder nein, lieber doch nicht. Zu ekelhaft, fürchte ich.” Langsam gewann Angela ihre alte Form zurück. Sie schaute schon etwas weniger trübsinnig drein. „Aber letztlich ist das alles ja auch egal. Die Bilder existieren nun einmal, und er verlangt, ich solle seinen Sohn für das Gymnasium empfehlen. Mit den passenden Zensuren, versteht sich.”
„Und dann? Glaubt der wirklich, auf der nächsten Schule ginge es so weiter? Wenn der Junge nicht die nötigen Leistungen bringt, und das kann er nicht, fliegt er.”
„Nicht, wenn er auf eine private Schule geht und Müller entsprechend spendet.”
Helga seufzte. „Vermutlich hast du Recht.”
„Weißt du, wie der Kerl sich bei mir eingeführt hat?” fragte Angela plötzlich. „Das erste, was er mir sagte, war: ›Mein Sohn soll Betriebswirtschaft studieren. Sorgen Sie bitte für die entsprechenden Voraussetzungen !‹ Kannst du dir das vorstellen? Und obwohl Jörg in jedem Fach Nachhilfe bekommt, wird er es nicht schaffen.” Nachdenklich fuhr sie fort: „Der Junge tut mir Leid. Er ist ein liebes Kind, anschmiegsam und immer fröhlich, trotz des fürchterlichen Vaters, nur eben nicht sehr intelligent.”
„Schade um den Jungen!”
„Ja.”
Wieder wurde es still, bis Helga plötzlich ein ersticktes Gelächter ausstieß. „Hör zu, ich sehe eine Möglichkeit”, rief sie erregt. „Aber du musst dich entscheiden, ob du zu deiner Freundin stehen willst und dazu, lesbisch zu sein, oder ob wir versuchen wollen, das Gegenteil zu beweisen.”
„Das Gegenteil beweisen? Wie?”
„Oh, da würde ein früherer Freund von mir mit Freuden einspringen. Er könnte mit dir dort hingehen, wo man euch sieht, Theater, Nobelrestaurants, Vernissagen, und natürlich würde er dich zu privaten Einladungen mitnehmen. In diesen Kreisen, zu denen schließlich auch Mörtel-Müller gehört, kennt man sich. Dass Hans-Werner Schlunze, Unternehmer und Weiberheld, eine neue Freundin hat, wird sich rasend schnell rumsprechen. Er ist ein typischer Macho und der Meinung, dass Frauen ohne Männer nicht zurechtkommen. Und glaub mir, wenn er die Gelegenheit bekommt, mir genau das zu beweisen, dann wird er sie nutzen.” Sie stockte abrupt, erschrocken über ihre Voreiligkeit. Wieder einmal hatte sie geredet, ohne gründlich nachzudenken. Welch eine Demütigung stand ihr bevor, wenn Angela den Vorschlag annahm. Sie würde mit Hans-Werner telefonieren und ihn um Hilfe bitten müssen, diesen Mistkerl, der von Frauen wenig und von ihr gar nichts hielt. Sicher würde er helfen, aber seinen Triumph auch gewaltig auskosten. Ihren Vorschlag zurückziehen wollte sie aber auch nicht, das würde Angela verletzen. Sie spürte Schweißtropfen auf der Stirn als sie lautlos betete: Lass Angela ablehnen, lieber Gott, lass Angela nein sagen. Laut fuhr sie fort: „Ich bin sicher, wenn er erfährt, dass sogar eine Lesbe ab und zu auf die Hilfe eines Mannes angewiesen ist, ist er dabei. Er wird allerdings versuchen, dich von seinen Qualitäten als Mann zu überzeugen und zu bekehren. Würde dir das was ausmachen?”
Angela stieß ein gequältes Lachen aus. „Ich schätze, das wäre das kleinste der Probleme. Die Frage ist doch, ob diese Art von Demonstration etwas nützen würde.”
„Da auf den Bildern nur eine Umarmung zu sehen ist, wenn auch besonders innig, gibt es keinen eindeutigen Beweis. Und wenn mehrere Leute gesehen haben, wie du Hans-Werner buchstäblich anhimmelst, wird niemand Müller auch nur ein Wort glauben, schließlich weiß jeder, wie der zu Frauen steht.”
„Es wäre eine Lösung, auch wenn es mir schwer fällt, einen Mann anzuschmachten.” Angela überlegte. Geistesabwesend rührte sie das vierte Stück Zucker in ihren Kaffee, der längst kalt geworden war. Unter dem Tisch rieb Helga ihre Hände als wollte sie sie an einem nichtvorhandenen Handtuch abtrocknen.
„Nein!” Entschieden schüttelte die Kollegin den Kopf. „Es wäre unfair Judy gegenüber, und ich müsste weiterhin Angst haben, dass sich die Geschichte irgendwann wiederholt. Nein, ich denke, es ist besser, ich stehe es jetzt durch.”
Helgas Spannung schwand wie Luft aus einem durchlöcherten Ballon. Sie bemühte sich, ihre Erleichterung nicht allzu deutlich merken zu lassen. „Das finde ich auch, ich werde mit Elli und einigen Kolleginnen
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