Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
ich! Während du dich mit Lehrerinnen amüsierst, arbeite ich nämlich.” Mit verschränkten Armen lehnte Masowski am Schrank und wartete grinsend auf die unvermeidliche Frage.
„Während ich mich mit Lehrerinnen amüsiere, wie du es auszudrücken beliebst, habe ich erfahren, dass Sandras Mutter uns in Bezug auf ihre männlichen Freunde angelogen hat, und dass Benjamin sich häufiger bei Mörtel-Müller aufhielt. Den hat die Stellmann doch auch erwähnt. Such gleich mal ihre Aussage raus. – Und was hast du gefunden?”
„Nach unserem Besuch beim alten Fränzke bin ich ins Schulamt gefahren und habe mir die Personalakten der Lehrer angeschaut.”
„Ja?”, fragte Kersting, wobei er sich bemühte, seine Unruhe zu verbergen, dachte er doch zuerst an Helga.
„Nun … die Stellmann, Benjamins Klassenlehrerin … wir haben uns damals gewundert, dass sie so wenig zu sagen wusste.”
„Was ist mit ihr?”
„Sie wurde hierher versetzt, weil sie angeblich ein Kind geschlagen hat. Es wird allerdings nicht deutlich, ob es sich um eine Strafversetzung handelt oder nicht.”
„Wieso angeblich? Das muss doch wohl genau in der Akte stehen. Ebenso die Strafversetzung.”
„Na ja, anfangs schien die Sachlage eindeutig zu sein, später haben fast alle Kinder der Klasse unabhängig voneinander ausgesagt, dass sie noch nie jemanden geschlagen habe und im Übrigen eine gute Lehrerin sei. Dann stellte sich auch noch heraus, dass die Eltern des besagten Kindes schon monatelang Zoff mit der Frau hatten. Als dann der Junge eines Tages mit blauen Flecken heimkam, sind sie sofort zum Arzt und haben alles dokumentieren lassen. Der Schulpsychologe stand mehr auf Seiten der Stellmann, deshalb kam es dann auch zu keinem Verfahren. Du kennst das doch. Niemand möchte die Verantwortung für eine Entscheidung übernehmen, also wird die Betroffene überredet, sich freiwillig versetzen zu lassen. Am Ende sind alle zufrieden, besonders die Eltern, die auf einer Entfernung der Lehrkraft bestanden hatten.”
„Was hilft uns das weiter?”
„Stell dir die Frau doch mal vor … durch die vermutlich falschen Anschuldigungen muss sie total frustriert sein und eine Mordswut auf Kinder und Eltern haben.”
„Hm”, Kersting räusperte sich skeptisch. „Wann ist das alles passiert?”
„Vor etwa sechs Jahren.”
„Warum hat sie so lange gewartet, bevor sie zuschlug?” Kopfschüttelnd fuhr er fort: „Nein, nein, das passt nicht. Die Kinder lagen da wie aufgebahrt, das passt nicht zu einer Frau, die Kinder aus Frust umbringt .” Kersting hatte die Ellbogen aufgestützt und starrte blicklos vor sich hin. Wieder sah er die leblosen Körper des kleinen Mädchens und des Jungen vor sich. Masowski schien noch nicht bereit, seine Theorie aufzugeben. „Es wäre doch möglich, dass hier etwas Ähnliches geschehen ist, wodurch der alte Ärger wieder hochkam, etwas, das wie ein Auslöser wirkte. Durch die neuerliche Demütigung wurde sozusagen die kritische Masse überschritten, und wumm – sie drehte durch.”
„Könnte sein. Um das herauszufinden müssten wir aber noch einmal das Kollegium der Schule befragen.”
„Wir? Das ist doch wohl eher deine Sache.”
Ausnahmsweise war Kersting für das Klingeln des Telefons dankbar. „Das war Frau Renner. Benjamin spielte gern Detektiv und hat alle möglichen Leute verfolgt. Falls er da an den Falschen geraten ist … Ein Motiv für den Tod des Jungen zu finden, ist nicht schwer. Aber Sandra? Die passt in kein Bild.” Er seufzte. „Ich werde noch einmal mit der Linners reden und mich im Haus nach Benni erkundigen. Vielleicht hat ihn jemand dort gesehen. Du kannst ja inzwischen in die Schule fahren und dich mit der Stellmann samt Kolleginnen und Rektor unterhalten.” Er hätte Helga gern wieder gesehen, doch nicht dienstlich und nicht in der Schule. Sollte Masowski das übernehmen. Es ging schließlich auch um seine Theorie.
Mit einem neueren Bild von Benni in der Hand fragte Kersting die wenigen anwesenden Hausbewohner nach dem Jungen. Einige glaubten, ihn mal im Haus getroffen zu haben, doch genau wusste es niemand. Wieder eine Sackgasse. Der Polizist fluchte und beschloss, die Suche am Abend fortzusetzen, wenn alle Mieter daheim waren. Dann klingelte er bei der Linners.
„Hören Sie, ich verstehe Ihre Frage nicht. Der Befund besagte doch eindeutig, dass Sandra nicht missbraucht wurde. Was also interessiert es Sie noch, ob ich derzeit einen Freund habe?” Cora Linners Stimme
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