Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
Trantüte eigentlich schon von der Polizei vernommen?”
Niemand musste fragen, wen Elli meinte. Selbst die Lehramtsanwärterin hatte schnell begriffen, dass der Hausmeister anfallenden Arbeiten geschickt auswich.
„Wieso fragst du?”
„Na, es ist doch allgemein bekannt, dass unser Hausmeister ein bisschen faul ist. Zufällig weiß ich, dass er nachmittags meist den Schulhof fegt, was bedeutet, dass er sich stundenlang mit allen möglichen Leuten unterhält oder nur am Zaun herumsteht. Der Hof sieht hinterher genauso aus wie vorher!”
„Eh?”
„Ich bin nachmittags manchmal hier zum Kopieren, morgens ist mir der Andrang zu groß. Und da habe ich ihn gesehen.”
„Glaubst du, dass er mit der Geschichte zu tun hat?”
Elli zuckte die Achseln. Eigentlich traute sie ihm alles Schlechte zu …
„Meine Damen, Herr Kollege! Die Kinder warten! Wenn Sie nun endlich Ihre Schüler vom Schulhof holen und sich in Ihre Klassen begeben würden! Bitte!” Der Aufschrei des Rektors konnte nicht länger überhört werden. Schweren Herzens machten sich die Kollegen auf den Weg.
Wie erwartet, tauchte Kersting in der Mitte des Vormittags auf. Nach einem Gespräch mit Marcels Klassenlehrerin, das sich bis zum Ende der großen Pause hinzog, wollte er auch noch mit Helga reden. Kurz, wie er sagte. Indessen rief die Schulglocke Lehrer und Kinder zur Arbeit, und Helga überlegte, wie sie Gespräch und Unterricht miteinander verbinden sollte. Es war niemand da, der ihr die Klasse hätte abnehmen können. Sämtliche Lehrer, einschließlich Rektor, befanden sich im Unterricht, die Sekretärin kam nur zweimal in der Woche und hatte heute ihren freien Tag, vom Hausmeister weit und breit keine Spur, wie üblich. Außerdem gehörte die Beaufsichtigung von Schülern eindeutig nicht zu seinen Aufgaben. Was tun? Kurz-
entschlossen verordnete die Lehrerin den Kindern eine längere Pause, was schreiend und johlend begrüßt wurde, und bat Kersting nach draußen, wo sie die Schüler im Blick behalten konnte.
Der Polizist sah abgespannt aus. Die Linien um die Mundwinkel hatten sich tiefer eingegraben. Der Tod der Kinder nahm ihn mit, weit mehr, als er jemals zugeben würde. Für eine Sekunde nur umschloss er zärtlich ihre Hand, dann wurde er sofort dienstlich.
„Kann ich mich auf Frau Kolczewskis Aussagen verlassen?”
„Ich verstehe nicht?”
„Sie schilderte Marcel als einen sehr zurückhaltenden, ängstlichen Jungen, der niemals mit einer fremden Person mitgehen würde. Falls das stimmt, würde das unsere Nachforschungen natürlich entsprechend beeinflussen. Wenn ich mir jedoch Sandra und Benjamin vorstelle … die beiden scheinen ganz andere, selbstbewusstere Persönlichkeiten gewesen zu sein …?”
„Hm, er besuchte ein Jahr lang meine Klasse, dann ist er zurückgegangen ins erste Schuljahr. Sicher, er war schüchtern, jedenfalls den Lehrern gegenüber, aber da gibt es etwas, das ich dir erzählen muss, falls Linda es nicht getan hat?”
„Was meinst du?”
„Eine Frau hat angerufen, die die Telefonnummer von Marcels Mutter haben wollte. Hat Linda das nicht gesagt? Wir haben uns wegen des blöden Anrufs ziemlich gestritten, weil sie der Meinung war, ich hätte kein Recht gehabt, ihn entgegen zu nehmen.”
„Nein, sie hat nichts von einem Anruf erwähnt.”
„Verstehe ich nicht!” Und Helga berichtete von Marcels Besuchen bei Frau Vollmer oder Vollmann oder so ähnlich. Kersting hörte aufmerksam zu. Plötzlich ertönte infernalisches Gebrüll von der gegenüberliegenden Seite des Schulhofes. Ein paar Jungen bewarfen sich mit nassem Sand aus der Sprunggrube. Helga warf einen kurzen Blick hinüber und entschied, nichts gesehen zu haben – bisher litt allein die Kleidung der Kinder. Als sie zum Ende ihres Berichts kam, bemerkte Kersting, der dem Geschrei ebenfalls nur minimale Aufmerksamkeit schenkte, dass sie die Frau sicher finden würden.
„Ich hoffe, dass wir nun endlich vorankommen. Die Kollegen haben eine Menge Spuren entdeckt. Entweder wird der Täter nachlässig, oder er war in Eile. Wenn nur die Auswertung nicht so lange dauern würde!”
Trotz aller Erschöpfung strahlte er wieder Energie aus. Die Melancholie der letzten Tage war von ihm abgefallen. Es gab neue Spuren, neue Hinweise, denen sie nachgehen konnten. Helga hoffte inständig, dass der Täter bald gefasst werden würde. Sie vermochte Angst und Ungewissheit nicht viel länger zu ertragen.
„Es ist schon seltsam, wie sehr die Tragödie mich
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