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Renner & Kersting 02 - Mordswut

Renner & Kersting 02 - Mordswut

Titel: Renner & Kersting 02 - Mordswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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zuzubereiten. In spätestens dreißig Minuten würden Veronika und Franziska vor der Tür stehen. Mit langen Schritten eilte sie heimwärts. Sie war zu Fuß gegangen, da sie gehofft hatte, auf Bekannte zu treffen. Außerdem hatte sie auch in einigen Kiosken noch einkaufen wollen, um ein bisschen mehr Klatsch und Tratsch zu hören. Doch das schaffte sie nun nicht mehr. Während sie immer schneller wurde, überlegte sie, was sie ihren Kindern heute Mittag vorsetzen sollte. In der Tiefkühltruhe lagerte Gemüse, welches sie bloß in die Mikrowelle zu schieben brauchte, dazu ein paar Kartoffeln, und Bratwurst gab es beim Metzger an der nächsten Ecke. Glücklicherweise waren die Kinder alt und vernünftig genug, dass man sie nachmittags allein lassen konnte.
     

31
    Helga warf ihre Schultasche unter den Schreibtisch und ließ sich erschöpft in den nächsten Sessel fallen. Sie sehnte sich nach Ruhe und Erholung und wollte von keinem Problem mehr belästigt werden. Doch so einfach ließ sich das Gehörte nicht abschütteln. Britta, Nele und Pia-Maria. Helga hatte genügend kaputte Familien kennen gelernt und geglaubt, nichts könnte sie mehr erschüttern. Wie falsch sie sich eingeschätzt hatte, spürte sie jetzt. Mitleid mit den Kindern und eine unbändige Wut auf die Täter überkam sie. Warum hatten die Eltern von Lars nicht bemerkt, dass mit dem Jungen etwas nicht stimmte? Kein normaler Vierzehnjähriger tut einem Mädchen so etwas an. Da musste in der Erziehung doch etwas schief gelaufen sein. Wie sonst sollte man die Tat erklären? Wer weiß, ob die Eltern sich überhaupt um den Jungen kümmerten. Sie kannte genügend Grundschüler, die den Nachmittag allein verbrachten, weil die Eltern arbeiteten oder keine Zeit hatten. Auch Niklas gehörte zu dieser Kategorie. Ob sie noch ein weiteres Mal mit seinen Eltern reden sollte? Sicher, es war nichts Schlimmes geschehen. Aber das war nicht sein Verdienst. Jetzt, im Zusammenhang mit Britta und Nele musste sie sein Vergehen wohl doch strenger beurteilen.
    Kinder zu erziehen kostet Zeit und Energie, es ist ein Full-Time-Job. Vertrauen und Respekt müssen auf beiden Seiten verdient werden. Mütter tun Kindern keinen Gefallen, wenn sie grundsätzlich auf ihrer Seite stehen, ihnen alle Freiheiten lassen und jedes Vergehen entschuldigen. Wer schon als Kind nicht lernt, dass es Regeln gibt, die einzuhalten sind, wird es als Erwachsener nie begreifen. Gefühle, Hormone, Triebe sind weder Entschuldigungen noch Erklärungen für Verbrechen.
    Obwohl Britta sich seit einem Jahr in Therapie befand, hatte sie noch immer Angst, allein auf die Straße zu gehen. Heute Mittag hatte Helga Britta zum ersten Mal genauer angesehen und etwas bemerkt, was ihr vorher entgangen war. In den Augen des Mädchens lauerte Angst. Nicht offensichtlich, sondern verschleiert und verborgen. Aber sie war da. Immer noch.
    Helga hatte viel zum Thema gelesen, trotzdem blieben ihr die Taten absolut unverständlich. Wie konnte ein Vater seiner Tochter so etwas antun und dann noch dreist erklären, er liebe sein Kind? Wie viele Männer behaupteten, sie täten nur das, was die Kinder auch wollten und diese hätten schließlich ein Recht auf Sexualität. Bei den Gedanken versagte ihr Vorstellungsvermögen. Ob es Menschen gab, die von Grund auf böse geboren wurden? Sie wünschte, sie könnte mit jemandem über Britta Soltau reden, aber sie hatte ihr Wort gegeben.
    Helga zog die Knie an und legte ihren Kopf darauf. Sie war müde und wünschte, sie könnte Schule und Schüler wenigstens für kurze Zeit vergessen. Aber wie schon so oft, besaßen die Gedanken ein Eigenleben und kamen immer wieder auf das unangenehme Thema zurück. Noch in den achtziger Jahren wurden solche Taten einfach in Abrede gestellt. Sie erinnerte sich an die damalige Bewegung, in der die Ausmaße sexuellen Kindes-Missbrauchs geleugnet wurden. Es gab eine perfide Differenzierung, die zwischen wenigen Triebgestörten und noch weniger ehrlich Kinderliebenden unterschied. Diese ach so kinderliebenden Scheißhausfliegen führten kleine Mädchen und Jungen angeblich auf deren eigenen Wunsch hin in die körperliche Liebe ein. So ein Quatsch! dachte die Lehrerin erbost. Kein Kind will Sex. Natürlich möchte es mit Mama und Papa schmusen, aber auf seine eigene kindliche Art. Lag es an mangelndem Vorstellungsvermögen, dass diese Taten so lange verdrängt wurden? Selbst heute, da kaum eine Woche ohne Schlagzeilen über sexuellen Missbrauch verging, fühlte

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